Renaturierung von Bergbaufolgelandschaften – Ein bi-nationales Projekt
Motivation
Motivation
Rohstoffabbau im Tagebauverfahren ist einer der schwerwiegendsten Eingriffe in Natur und Landschaft. Weltweit sind rund ein Prozent der Landmasse von dieser anthropogenen Störung und den nachhaltigen Auswirkungen auf Bodengefüge, Wasserhaushalt, Flora und Fauna betroffen.
Während der letzten Jahrzehnte stand die natürliche Wiederbesiedlung von ostdeutschen und tschechischen Bergbaufolgelandschaften im Zentrum der Forschung. Die Ergebnisse zahlreicher Forschungsprojekte zeigen, dass auf den heterogenen und oftmals nährstoffarmen Substraten, die durch den Tagebau geschaffen worden sind, durch spontane Sukzession struktur- und artenreiche Lebensräume mit vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten entstehen.
Doch spontane Sukzession benötigt Zeit. In Abhängigkeit von den Standortbedingungen kann die pflanzliche Wiederbesiedlung mehrere Jahrzehnte dauern. Besonders auf durch Wind- oder Wassererosion gefährdeten (Böschungs)Standorten oder in der Nähe von Ortslagen ist es deshalb oft notwendig, die Vegetationsentwicklung zu beschleunigen.
Indem wir „von der Natur lernen“, können neue, ökologische Renaturierungsstrategien entwickelt werden, die die natürlichen Potenziale der Flächen einbeziehen. Die Kombination von spontanen Prozessen und naturnaher Begrünung führt zur nachhaltigen Entwicklung wertvoller Lebensräume in der Bergbaufolgelandschaft.
Unter dieser Prämisse startete Anfang 2009 ein Verbundprojekt der Hochschule Anhalt in Bernburg und der Jihočeská Universität in České Budějovice.
Projektziele
Projektziele
Das Ziel dieses Projektes ist für europäische Bergbaufolgelandschaften allgemein gültige Besiedlungs- und Sukzessionsmechanismen zu formulieren und generelle Strategien für eine naturnahe Beschleunigung der Vegetationsentwicklung abzuleiten. Dafür werden bestehende Dauerbeobachtungsflächen zur spontanen und gelenkten Sukzession im mitteldeutschen und tschechischen Braunkohlerevier fortgeführt sowie neue Demonstrationsversuche zur naturnahen Begrünung angelegt. Auf Grundlage von gemeinsamen wissenschaftlichen Analysen wird ein Leitfaden für eine erfolgreiche ökologische Renaturierung von Abbaugebieten erarbeitet, der für mitteleuropäische Bergbaufolgelandschaften anwendbar ist.
Fallbeispiel 1 – Böschungsbegrünung Roßbach (Deutschland)
Fallbeispiel 1 – Böschungsbegrünung Roßbach (Deutschland)
Der ehemalige Tagebau Roßbach befindet sich im Geiseltalrevier in Sachsen-Anhalt. Auf einer vegetationsfreien Böschung aus geschüttetem Löss (pH 7,5) wurden im September 2000 drei Varianten im Blockdesign mit drei Wiederholungen auf einer Fläche von insgesamt 1,14 ha umgesetzt:
(1) Ansaat von 15 Kräutern und 6 Gräsern: 2 g /m2, standortgerechte Saatgutmischung mit autochthonen Arten (Drillsaat mit hochgeklappter Säschar). Zusätzlich wurde zum Schutz vor Erosion eine samenarme Mulchschicht (2. Schnitt Saaledämme) aufgebracht (ca. 5 cm dick).
(2) Mahdgutübertrag: Hierfür wurde im etwa 20 km entfernten Naturschutzgebiet “Göttersitz” eine artenreiche Fläche (97 Arten, davon 71 Zielarten, charakteristisch für Halbtrockenrasen und mesophiles Grünland) gemäht. Das samenreiche Material wurde sofort zu den Versuchsflächen transportiert und frisch aufgetragen (ca. 1 kg/m2, 5 cm Dicke).
(3) Kontrolle mit Spontansukzession.Ergebnisse
Das Einbringen von geeigneten Samen durch Mahdgutübertrag und Ansaat beschleunigte die Vegetationsentwicklung deutlich. Bereits im zweiten Jahr waren in diesen Varianten mehr als 40 % der Oberfläche durch Vegetation bedeckt. Erosionsprozesse wurden durch die Mahdgut- bzw. Mulchauflage sehr effektiv verhindert. Ab 2004 war die Vegetationsdeckung stetig sehr hoch. Sowohl Ansaat als auch Mahdgutübertrag führten zur schnellen Etablierung von artenreichen, standortgerechten Beständen. Am erfolgreichsten entwickelten sich die Zielarten nach Mahdgutübertrag. Insgesamt können beide Methoden zur Beschleunigung der Vegetationsentwicklung auf erosionsgefährdeten Standorten empfohlen werden.
Fallbeispiel 2 – Böschungsbegrünung Profen (Deutschland)
Fallbeispiel 2 – Böschungsbegrünung Profen (Deutschland)
Bergbauböschungen werden häufig mit preisgünstigen, artenarmen Regelsaatgutmischungen begrünt. Diese enthalten in der Regel nur wenige Zuchtsorten von Gräsern (v.a. Festuca spec.). Im Tagebau Profen (Zeitz-Hohenmölsener-Revier, Sachsen-Anhalt) wurden in einem Blockversuch verschiedene Ansaatmischungen jeweils mit und ohne Mulchauflage getestet.
Im Dezember 2004 wurden auf einer nährstoffarmen, vegetationsfreien Böschung die folgenden vier Varianten umgesetzt: (1) artenarme Ansaat (zwei Festuca- Zuchtsorten, Lolium perenne), (2) artenarme Ansaat mit Mulchauflage (ca. 5 cm), (3) artenreiche Ansaat (40 Kräuter und 11 Gräser, regionale Herkünfte), (4) artenreiche Ansaat mit Mulchauflage (ca. 5 cm).Ergebnisse
Die Einsaat von artenreichen, regionalen Mischungen führte zur Entwicklung einer diversen und standortgerechten Vegetation. Nach und nach konnten aus den artenreichen Varianten auch einige Zielarten in die angrenzenden, artenarmen Bereiche einwandern. Bis zum Jahr 2010 blieben aber deutliche Unterschiede hinsichtlich Anzahl und Deckung von Zielarten zwischen den Varianten bestehen. Somit tragen artenreiche, regionale Ansaaten zur Erhöhung der lokalen Diversität bei. Eine zusätzliche Mulchschicht unterstützte die Etablierung der Arten und beugte Erosionsprozessen vor. Bis zum Ende der Untersuchungen war die Anzahl der Zielarten in den Varianten mit Mulch leicht höher als in den Varianten ohne Mulch.
Fallbeispiel 3 – „Klara’s Island” (Tschechien)
Fallbeispiel 3 – „Klara’s Island” (Tschechien)
Im Jahr 2009 fand in České Budějovice ein Workshop zur Renaturierung von Sandtrockenrasen statt, die in der Region infolge von Nutzungsänderungen selten geworden sind. Ziel war es, die Etablierung typischer Sandtrockenrasen in geeigneten Abbaugebieten naturnah zu beschleunigen. Aus zwei Spenderflächen wurde durch Ausrechen einer ca. 250 m2 großen Fläche etwa 1000 Liter Rechgut (Samen, Pflanzenteile, Kryptogamen) gewonnen. Empfängerfläche war eine Sandinsel innerhalb einer noch teilweise aktiven Sandgrube bei Suchdol nad Lužnicí (Českomoravskýštěrk, Heidelberg Cement Group). Der Übertragungsversuch wurde im Blockdesign mit vier Wiederholungen und drei Varianten (Kontrolle, zwei verschiedene Spenderflächen) angelegt. Das Übertragungsverhältnis von Spender- zu Empfängerfläche lag bei 1:1.
Ausblick und Download Projektergebnisse
Ausblick und Download Projektergebnisse
Auf den tschechischen und deutschen Versuchsflächen soll auch nach Projektende die Datenerhebung fortgesetzt werden, um den langfristigen Erfolg der angewandten Renaturierungsmethoden zu dokumentieren. Die Ergebnisse des Projekes werden im Handbuch 'Near-natural restoration vs. technical reclamation of mining sites' zusammengefasst.
Projektleitung: Prof. Dr. Sabine Tischew (HS Anhalt), Prof. Dr. Karel Prach (University of South Bohemia)
Projektbearbeitung: Dr. Annett Baasch, Dr. Anita Kirmer (HS Anhalt), Dr. Klara Řehounková (University of South Bohemia)
Gefördert durch:Deutsche Bundesstiftung Umwelt