In-situ-Erhaltung von Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft mittels Schirmarten (IsWEL)
Hintergrund
Hintergrund
In Deutschland sind ca. 3500 Wildpflanzenarten verbreitet. Davon definiert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL 2015) schätzungsweise 2800 Arten als Wildpflanzenarten für Ernährung und Landwirtschaft (WEL-Arten). Von besonderer Bedeutung für die Sicherung der Lebensmittelproduktion und Erzeugung anderer agrarischer Rohstoffe sind wildlebende Verwandte unserer Kulturpflanzen (WVK). Sie bilden eine Teilmenge der WEL-Arten und sind für die Züchtung verbesserter Sorten notwendig.
Die Erhaltung von WEL-Arten in Ex-situ-Sammlungen ist nur begrenzt möglich, da die Lagerungskapazitäten nicht ausreichen, um die Arten und deren innerartlichen Vielfalt repräsentativ erhalten zu können. Zudem handelt es sich um statische Muster, welche sich nicht an veränderte Umweltbedingungen anpassen (Iriondo 2012, Maxted et al. 2008). Die Ergebnisse internationaler (Castañeda-Álvarez et al. 2016, Vincent et al. 2019) sowie europäischer Untersuchungen (Dias et al. 2012) zeigen, dass insbesondere WVK-Arten sowohl aus taxonomischer Perspektive als auch hinsichtlich der geographischen Herkunft ihrer Akzessionen in Ex-situ-Sammlungen unterrepräsentiert sind. Auch in situ sind diese Arten nur unvollkommen geschützt. Nach Bilz et al. (2011) gelten 16 % von 572 in Europa vorkommenden WVK als unterschiedlich stark gefährdet. Daher muss die In-situ-Erhaltung von WEL-Arten, insbesondere von WVK, verstärkte Aufmerksamkeit erhalten.
In Deutschland gibt es wenige systematische Untersuchungen zum Erhaltungszustand von WEL-Arten inner- und außerhalb gesetzlich geschützter Flächen, da diese Arten bislang nicht oder nur selten als Schutzgüter dieser Flächen definiert wurden und damit nicht im Fokus des Erhaltungsmanagements stehen. Ein globales Netzwerk genetischer Erhaltungsgebiete (GenEG) wird als effektivste Maßnahme angesehen, um Populationen von WEL-Arten und ihrer innerartlichen Vielfalt systematisch in situ zu schützen. Hierbei ist ein GenEG als Fläche definiert, die für aktive und dauerhafte Erhaltungsmaßnahmen ausgewiesen wird und auf der Management und Monitoring der genetischen Vielfalt natürlich vorkommender Wildpflanzenpopulationen erfolgen (Maxted et al. 2015, 1997).
Bilz, M., Kell, S., Maxted, N., Lansdown, R.V. (Hrsg.), 2011. European red list of vascular plants. Publications Office of the European Union, Luxembourg.
BMEL, 2015. Pflanzengenetische Ressourcen in Deutschland - Nationales Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Kulturpflanzen.
Castañeda-Álvarez, N.P., Khoury, C.K., Achicanoy, H.A., Bernau, V., Dempewolf, H., Eastwood, R.J., Guarino, L., Harker, R.H., Jarvis, A., Maxted, N., Müller, J.V., Ramirez-Villegas, J., Sosa, C.C., Struik, P.C., Vincent, H., Toll, J., 2016. Global conservation priorities for crop wild relatives. Nature Plants 2, 16022.
Dias, S., Dulloo, M.E., Arnaud, E., 2012. The role of EURISCO in promoting use of agricultural biodiversity. In: Maxted N., Dulloo M.E., Ford-Lloyd B.V., Frese L., Iriondo J.M., Pinheiro de Carvalho M.A.A. (Hrsg.), Agrobiodiversity Conservation Securing the Diversity of Crop Wild Relatives and Landraces. p. CABI, Wallingford, 270-277.
Iriondo, J.M., 2012. CWR umbrella conservation approach. Working document prepared by AEGRO, Annex 9_2, http:// aegro.jki.bund.de/aegro/index.php?id=174, Download am 23.05.2019.
Maxted, N., Avagyan, A., Frese, L., Iriondo, J., Brehm, J.M., Singer, A., Kell, S., 2015. ECPGR Concept for in situ conservation of crop wild relatives in Europe 28.
Maxted, N., Dulloo, E., V Ford-Lloyd, B., Iriondo, J.M., Jarvis, A., 2008. Gap analysis: A tool for complementary genetic conservation assessment. Diversity and Distributions 14, 1018–1030.
Maxted, N., Hawkes, J.G., Guarino, L., Sawkins, M., 1997. Towards the selection of taxa for plant genetic conservation. Genetic Resources and Crop Evolution 44, 337–348.
Vincent, H., Amri, A., Castañeda-Álvarez, N.P., Dempewolf, H., Dulloo, E., Guarino, L., Hole, D., Mba, C., Toledo, A., Maxted, N., 2019. Modeling of crop wild relative species identifies areas globally for in situ conservation. Communications Biology 2, 136.
Zielstellung
Zielstellung
Ziel des Projektes ist es, für den Ausbau eines deutschen Netzwerks genetischer Erhaltungsgebiete (GenEG) bundesweit WEL-Schirmarten und Kandidaten für GenEG aus WEL-Arten-Hotspots zu identifizieren sowie GenEG in bestimmten Regionen modellhaft umzusetzen.
Für eine möglichst effiziente Auswahl effektiver GenEG soll das Schirmartenkonzept herangezogen werden, welches es ermöglicht, die biologische Vielfalt vereinfacht abzubilden und Artenschutzmaßnahmen zu priorisieren. Auf diese Weise sind die GenEG auch nicht mehr auf einzelne Arten ausgerichtet, vielmehr stehen Hotspots von WEL-Arten unterschiedlicher Habitattypen im Fokus.
Im Gesamtergebnis soll ein GenEG-Auswahlverfahren für prioritäre WEL entstehen, welches ökonomisch effizient ist und in bestehendes Handeln des Naturschutzes und der Agrarfinanzierung integriert werden kann.
Ergebnisse
Ergebnisse
Für die Identifikation von WEL-Arten-Hotspots wurden Artfundortdaten von den Naturschutzbehörden der Bundesländer sowie geeignete Arterfassungen von „Citizen-Science“-Portalen und von Projekten mit Bezug zu WEL-Arten zusammengetragen. Nach der Datenbereinigung und -aufbereitung lagen für die Auswertungen ca. 30 Mio. Fundortdaten vor, anhand derer für ein bundesweites Raster (Messtischblattsechzehntel, ca. 3x3km) die jeweilige Anzahl aller vorkommenden WEL-Arten bzw. die Anzahl der prioritären WEL berechnet wurde.
Anhand der ermittelten Hotspots wurde eine Kulisse potenzieller Genetischer Erhaltungsgebiete (GenEG) entwickelt, die zunächst 81 Rasterfelder umfasste und 73% aller WEL-Arten bzw. 85% aller prioritären WEL-Arten abdeckt. In weiteren Arbeitsschritten wurden Flächen (GenEG-Kandidaten) innerhalb der Hotspot-Rasterfelder konkretisiert (je ca. 5 ha) und deren Schirmarten bestimmt. Sie decken ca. 68% der prioritären WEL-Taxa ab. Die bei den Kartierungen der GenEG-Kandidaten erhobenen Daten wurden an das Informations- und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt (IBV) der BLE übergeben und sollen zukünftig über das PGRDEU-Portal veröffentlicht werden (In-situ-Vorkommen: PGRDEU (genres.de)).
Für genetische Analysen wurden im Projekt zudem Blattproben von Lactuca serriola und Trifolium campestre gesammelt und vom Julius-Kühn-Institut mittels Genotyping-by-sequencing ausgewertet. Weiterhin wurde in den GenEG-Kandidaten Saatgut prioritärer WEL-Arten gesammelt und zur Einlagerung an den Botanischen Garten Osnabrück übergeben.
Die Einrichtung von Genetischen Erhaltungsgebieten und der Aufbau eines Netzwerkes „Genetische Erhaltungsgebiete für WEL-Hotspots“ sowie die Vernetzung mit Biosphärenreservaten sind vorgesehen und werden durch die Projektpartner vorbereitet.
Projektpartner: Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI)
Hochschule Geisenheim University (HGU)
Botanischer Garten Osnabrück (BG)
Projektleitung Hochschule Anhalt:Prof. Dr. Sabine Tischew
Projektbearbeitung Hochschule Anhalt:Thomas Engst, M.Sc., Vera Senße, M.Sc.
Gefördert durch: das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags
im Rahmen der Modell- und Demonstrationsvorhaben im Bereich Biologische Vielfalt
Projektträger: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE),
Förderkennzeichen 2819BM040 (JKI), 2819BM041 (HSA)
Laufzeit: 07/2020 bis 04/2024