BROMUS - Zunehmende Dominanz der Aufrechten Trespe im Mitteldeutschen Raum - Evaluierung von Managementstrategien zur Biodiversitätsförderung in Kalk-Trockenrasen

  • Projektziel

    Projektziel

    Kalk-Trockenrasen gelten als die artenreichsten Lebensräume in Deutschland und stehen über die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 92/43/EWG und auf Grundlage des BNatschG unter besonderem Schutz. Sie sind aktuell durch die klimabedingte und/oder managementbedingte massive Ausbreitung der Aufrechten Trespe (Bromus erectus) gefährdet, was zu einem Verlust an charakteristischen, konkurrenzschwächeren Arten dieses äußerst wertvollen Lebensraumes führt. Da diese Ausbreitung in Mitteldeutschland jedoch erst begonnen hat, sind noch Gegenmaßnahmen durch Anpassungen im Management möglich. Ziel des Projektes ist die Untersuchung von unterschiedlichen Managementstrategien, die die Ausbreitung der Aufrechten Trespe in einem noch frühen Stadium der Expansion erfolgreich eindämmen können. Dazu werden wir auf unterschiedlichen Standorten im mitteldeutschen Raum innerhalb von sechs Modellregionen die Vegetation erfassen und analysieren.  Ausgewählte Flächen unterliegen einem mindestens fünf Jahre kontinuierlich andauerndem Management mit den in der Landschaftspflege üblichen Managementvarianten Schafbeweidung, Ziegenbeweidung, Beweidung mit großen Weidetieren (Rindern und/oder Pferden), Mahd und Brache (ohne Management).

  • Hintergrund

    Hintergrund

    Die Aufrechte Trespe (Bromus erectus W. Hudson 1762) ist eine ausdauernde Grasart, die Wuchshöhen von 30 bis 90 cm erreicht. Die Art wächst in lockeren bis dichten Horsten und bildet ein Rhizom mit bis zu 60 cm tiefen Wurzeln aus (Intensivwurzler). Die Blütezeit ist von Mai bis Oktober.

    Die Aufrechte Trespe besiedelte ursprünglich trockene, basenreiche Standorte in Süd- und Südwesteuropa (Sutkowska et al. 2013). In Mitteleuropa kam die Aufrechte Trespe erst in der Neuzeit vor (Poschlod & WallisDeVries 2002), wo sie insbesondere durch Heu-Ansaat weiter ausgebreitet wurde. Seitdem wandert die Art von Südwestdeutschland aus weiter Richtung Nordosten. In Mitteldeutschland ist sie vermutlich erst im mittleren bis späten 19. Jahrhundert angesät und damit eingeführt worden (Heinrich 2010). Aktuell ist eine starke Ausbreitung der Aufrechten Trespe in den mitteldeutschen Kalk-Trockenrasen zu beobachten (Meier et al. 2021), was zu einem Verlust an charakteristischen, aber konkurrenzschwächeren Arten dieses äußerst wertvollen Lebensraumes führt.

    Die Problematik der Einwanderung der Aufrechten Trespe wurde lange Zeit nur vereinzelt wahrgenommen, da die Art als charakteristische Grasart der Halbtrockenrasen beschrieben ist (Schubert 2001). Neben Thüringen (Heinrich 2010), Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist die Art seit 2016 aber auch in Sachsen-Anhalt als Neophyt eingestuft (Frank 2016).

    In relativ kurzer Zeit kann die Aufrechte Trespe bei ungeeignetem Management bzw. Nutzungsaufgabe bestandsbildend bis dominant werden (Bornkamm 2006). Durch die relativ großen Horste und die starke Streubildung wird die ursprüngliche Struktur der Trockenrasen deutlich verändert, insb. homogenisiert. Die erhöhte Streubildung fördert zudem die Stickstoffverfügbarkeit im Boden durch erhöhte Feuchtigkeit. Die überwiegend konkurrenzschwachen Trockenrasenarten werden verdrängt. Infolgedessen verarmen die Bestände sowohl floristisch als auch faunistisch (Poniatowski et al. 2018).

    Bornkamm, R. (2006) Fifty years vegetation development of a xerothermic calcareous grassland in Central Europe after heavy disturbance. Flora-Morphology, Distribution, Functional Ecology of Plants, 201(4), 249-267.
    Frank, D. (2016) Gefäßpflanzen (Tracheophyta: Lycopodiophytina, Pteridophytina, Spermatophytina) Bestandsentwicklung. – In: Frank, D. & Schnitter, P. (Eds.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt: Ein Kompendium der Biodiversität. Natur+Text, Rangsdorf: 192–318.
    Heinrich, W. (2010) Zum Indigenat der Aufrechten Trespe (Bromus erectus) in Thüringen. Haussknechtia, 12, 101-126.
    Meier, T., Hensen, I. & Partzsch, M. (2021) Floristic changes of xerothermic grasslands in Central Germany: A resurvey study based on quasi-permanent plots. Tuexenia, 41, 203-226.
    Poniatowski, D., Hertenstein, F., Raude, N., Gottbehüt, K., Nickel, H. & Fartmann, T. (2018) The invasion of Bromus erectus alters species diversity of vascular plants and leafhoppers in calcareous grasslands. Insect Conservation and Diversity, 11(6), 578-586.
    Poschlod, P. & WallisDeVries, M.F. (2002) The historical and socioeconomic perspective of calcareous grasslands—lessons from the distant and recent past. Biological Conservation, 104, 361–376.
    Schubert, R. (2001) Prodomus der Pflanzengesellschaften Sachsen-Anhalts. – Mitteilungen zur floristischen Kartierung Sachsen-Anhalt: 688 pp.
    Sutkowska, A., Pasierbinski, A., Warzecha, T., Mandal, A. & Mitka, J. (2013) Refugial pattern of Bromus erectus in Central Europe based on ISSR fingerprinting. Acta Biologica Cracoviensia Series Botanica, 55, 107–119.

  • Modellgebiete und Flächenauswahl

    Modellgebiete und Flächenauswahl

    Die Recherche geeigneter Probeflächen erfolgte in sechs Modellregionen im Mitteldeutschen Raum (Unteres Saaletal, Saale-Unstrut-Region, Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz, Naturpark Kyffhäuser, Gotha/ Ilm-Kreis, Nationalpark Hainich).


    Kriterien zur Auswahl von Probeflächen innerhalb der Modellgebiete:
    • FFH-LRT 6210(*) und / oder 6240*
    • Mindestens 5 - 10 Jahre kontinuierliches Management
    • Mindestflächengröße > 0,5 ha
    • Möglichst südliche Exposition
    • Möglichst alte Vegetationsdaten vorhanden
    • mit Aufrechter Trespe entweder bereits besiedelt oder zumindest potentiell besiedelbar (Art in der Umgebung vorkommend)


    Managementvarianten:
    • Temporäre Beweidung mit großen Weidetieren (Rinder, Pferdeartige, Mischbeweidung
    • Ganzjährige Beweidung mit großen Weidetieren (Rinder, Pferdeartige, Mischbeweidung)
    • Beweidung mit Schafen (Koppel- und Hütehaltung)
    • Beweidung mit Ziegen
    • Mahd (extensiv, einschürig)
    • Brache ohne Management


    Für jede der sechs Managementvarianten wurden sechs geeignete Probeflächen zufällig ausgewählt. Insgesamt wurden 36 Probeflächen erfasst. Das Vorkommen der Aufrechten Trespe wird auf zwei Untersuchungsebenen erfasst. Auf großflächiger Ebene wird die Fragestellung zur Verteilung und zum Besiedlungsgrad auf der jeweiligen Gesamtfläche auf Rasterebene untersucht. Auf kleinflächiger Ebene sollen durch Vegetationsaufnahmen Veränderungen in der Kalk-Trockenrasenvegetation dokumentiert werden. Zusätzlich zur Artenzusammensetzung wurden innerhalb jeder Vegetationsaufnahme repräsentative Vitalitätsparameter der Aufrechten Trespe erfasst, um die Fitness der jeweiligen Population zu ermitteln.

     

    Beispielhafte Probeflächen der untersuchten Managementvarianten Temporäre Beweidung mit großen Weidetieren, Ganzjährige Beweidung mit großen Weidetieren, Beweidung mit Schafen, Beweidung mit Ziegen, Mahd und Brache (von oben links nach unten rechts). Fotos: M. Köhler

  • Demonstrationsfläche „Rödel“

    Demonstrationsfläche „Rödel“

    Die am besten und über einen langen Zeitraum untersuchte Probefläche stellt die ganzjährige Pferdebeweidung auf dem Rödel im NSG- und FFH-Gebiet „Tote Täler“ dar. Die Analysen der Vegetationsdaten im Rahmen dieses Projektes ergaben einen sehr guten Zustand der vor Beweidungsbeginn 2009 stark durch Dominanzbestände der Aufrechten Trespe (Bromus erectus) geprägten Kalk-Halbtrockenrasen. Die Dominanzbestände wurden aufgebrochen und die Diversität insbesondere charakteristischer Pflanzenarten erhöhte sich signifikant. Dieser Prozess wurde insbesondere durch die Strukturen ermöglicht, die auf ganzjährig bestockten Flächen durch permanenten, aber extensiven und patch-artigen Fraß entstehen. Ganzjahresbeweidung entwickelt im Vergleich zu kurzzeitiger, intensiver Beweidung eine dreidimensionale Vegetationsstruktur durch hohe Selektionsmöglichkeiten für die Weidetiere.


    Insbesondere Pferdeartigen kommt dabei eine wichtige Funktion zu. Im Vergleich zu anderen Weidetierarten wie Rindern, Schafen oder Ziegen können Equiden minderwertiges Futter durch vermehrte, nahezu permanente Futteraufnahme kompensieren. Grasarten, die aufgrund von Silikateinlagerungen in den Zellen und verholzenden Fasern für viele Pflanzenfresser nahezu unverdaulich sind, können von Equiden aufgrund ihres auf Faserverwertung ausgerichteten Verdauungssystems und ihrer hochkronigen Zähne, die vor Abrieb schützen, verdaut werden (Koevolution von Gräsern und Weidetieren ab dem Tertiär). Als Grazer fressen Pferdeartige selektiv an Grasartigen, reduzieren so direkt Bromus erectus und fördern indirekt Kräuterartige. Bromus erectus wurde in allen Wachstumsphasen und zu allen Jahreszeiten selektiv gefressen. Dabei kommt der Winterbeweidung eine bedeutende Rolle zu, da Bromus erectus als submediterrane Art von den in jüngerer Zeit milderen Wintern und zeitiger einsetzenden Frühjahren deutlich profitiert.

    Durch den selektiven Fraß an Gräsern durch die Pferde werden heterogene Vegetationsstrukturen geschaffen und ein über die gesamte Vegetationsperiode hinweg andauernder Blütenreichtum gewährleistet. Fotos: M. Köhler

    Flächencharakteristik
    Lage: 51° 13‘ N; 11° 46‘ E
    Höhe: ca. 250 m NN
    Klima: mäßig bis leicht kontinental
    Mittlere Jahrestemperperatur: 8,3°C
    Mittlerer Jahresniederschlag: 565 mm
    Boden und Geologie: Löss-Luvisole auf Mittlerem Muschelkalk
    Stickstoff N(total): 0,31 %
    Phosphor: 0,26 mg/ 100 g Boden
    Kalium: 19,05 mg/ 100 g Boden
    Deposition Luftstickstoff: 13 kg ha-1 a-1

    Management
    Weideform: Ganzjährige Standweide
    Weidebeginn: 2009
    Weidegröße: ca. 90 ha
    Tierbesatz: ca. 16 Pferde der Robustrasse Konik polski (ca. 0,2 GVE/ ha /a)
    Agrarförderung: u.a. Freiwillige Naturschutzleistungen (FNL)
    Weideinfrastruktur: zweilitziger, wilddurchlässiger Zaun, Tränke, geringe Winterfütterung (Stroh)

    Vegetation
    FFH-LRT 6210(*) Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien (Festuco-Brometalia)
    Beweidungsbeginn 2009: stark vorangeschrittene Vergrasungsstadien mit Glatthafer (Arrhenatherum elatius), Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum) und insbesondere Bromus erectus

    Beweidungseffekte
    Dynamisch-mosaikartige Raumnutzung der Weidetiere
    Reduktion der Streuschichtdeckung von 50 % (± 18,7) im Jahr 2009 auf 14,38 % (± 9,04) im Jahr 2024
    Erhöhung des Offenbodenanteils von 1,09 % (± 1,65) im Jahr 2009 auf 7 % (± 5,63) im Jahr 2024
    Lebensraumtypisches floristisches Arteninventar erhöht
    Mittlere Artenzahl auf Vegetationsaufnahmen von 31,38 (± 10,24) im Jahr 2009 auf 42,63 (± 9,68) im
    Jahr 2024 erhöht
    Vier Orchideenarten neu nachgewiesen
    Deutliche Bestandsstärkung der Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera): Erhöhung der sterilen Individuen auf 1/3 der Weidefläche von 1.239 im Jahr 2013 auf 4.652 im Jahr 2024


    Weitere Informationen sind hier zu finden.

     

  • Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit

    Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit

    Langfristiges Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer Handlungsanleitung zum Umgang mit der Aufrechten Trespe, die Sensibilisierung von Landnutzenden sowie die Etablierung von Demonstrationsflächen. Ein Weiterbildungsangebot für Landnutzende wird an der Hochschule Anhalt integriert.

 


Projektleitung: Prof. Dr. habil. Sabine Tischew
Projektbearbeitung: Dr. Martina Köhler
Projektlaufzeit: 01.10.2022 - 30.09.2025
Fördermittelgeber: DBU
Projektnummer: AZ 37398/01