Optimierung von Ökosystemleistungen im Weinbau vor dem Hintergrund des Klimawandels (LIFE VinEcoS)
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Zielsetzung und Anlass des Vorhabens
Im Zuge der Klimaerwärmung kommt es immer häufiger zu extremen Klimaereignissen wie anhaltende Trockenperioden und Starkregenfälle. Gerade im Steillagenweinbau erhöht dies die Erosionsgefahr und führt zu einem zunehmenden Wasserstress der Weinreben. Das Projekt LIFE VinEcoS will deshalb innovative, an den Klimawandel angepasste Bewirtschaftungsweisen im Weinbau entwickeln, die zur Erhöhung der Biologischen Vielfalt beitragen und damit die Ökosystemleistungen im Weinberg verbessern. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:
1. Welche Bewirtschaftungsweisen führen zu einer höheren biologischen Vielfalt im Weinberg?
2. Welche Auswirkungen hat dies auf die Ökosytemleistungen im Weinberg?
3. Wie können diese Leistungen ökologisch und ökonomisch nachhaltig optimiert werden?
Das auf 770 ha bestockte Qualitätsweinanbaugebiet Saale-Unstrut im Süden Sachsen-Anhalts ist eine Kulturlandschaft, die durch Weinhänge, Steilterrassen und Trockenmauern geprägt ist. Mit ca. 500 mm Jahresniederschlag zählt die Region zu den niederschlagsärmsten in Deutschland. Die im Projekt geplanten Untersuchungen werden auf drei Demonstrationsflächen des Landesweingutes Kloster Pforta modellhaft umgesetzt.
Arbeitspaket 1: Erprobung neuer Produktionsverfahren und Anbautechniken im Weinbau
Arbeitspaket 1: Erprobung neuer Produktionsverfahren und Anbautechniken im Weinbau
Auf ausgewählten Flächen des Landesweingutes sollen Produktionsverfahren und Anbautechniken entwickelt werden, die an die zu erwartenden Klimaveränderungen angepasst sind. Hierzu soll z. B. ein klassischer Minimalschnitt im Spalier (Naturwuchserziehung) durchgeführt werden. Diese Form der Rebenerziehung ist bisher sehr selten in Deutschland und einmalig im Saale-Unstrut Gebiet. Die Naturwuchserziehung erlaubt der Rebe ihre natürliche Wuchsform als Lianengewächs anzunehmen, im Gegensatz zu der in Deutschland verbreiteten Spaliererziehung. Positive Effekte sind eine Vitalisierung der Reben durch mehr Freiheit und eine Auflockerung der Traubenstruktur. Es wird erwartet, dass dies die Krankheitsanfälligkeit und damit auch den Pflanzenschutzmitteleinsatz stark reduziert. Durch die stärkere Blattbildung wird zudem von einer Steigerung der Wurzelbildung ausgegangen, so dass sich die Trockenresistenz erhöhen kann. Ein weiterer Vorteil dieser Erziehungssysteme ist die Extensivierung der Arbeiten und damit eine Kostenersparnis.
Verantwortlich: Landesweingut Kloster Pforta
Arbeitspaket 2: Entwicklung multifunktionaler Samenmischungen aus regionalen Wildpflanzen für Erosionsschutz und mehr Biodiversität im Weinberg
Arbeitspaket 2: Entwicklung multifunktionaler Samenmischungen aus regionalen Wildpflanzen für Erosionsschutz und mehr Biodiversität im Weinberg
Die Zielstellung ist die Entwicklung von Samenmischungen, die ein besseres Wasserrückhaltevermögen und damit eine bessere Erosionssicherung und Humusbildung vor dem Hintergrund der erwarteten Klimaveränderungen gewährleisten. Die sich entwickelnde Vegetation soll Nektar- und Pollenquellen für Schmetterlinge und Wildbienen bereitstellen. Die Verwendung von regionalem Wildpflanzensaatgut stellt eine optimale Anpassung der ausgewählten Arten an die regionalen Klimabesonderheiten und deren Eignung als Nahrungspflanzen für heimische Tierarten (insbesondere Nützlinge) sicher. Durch die Auswahl von anspruchslosen Magerrasenarten wird die Wasserkonkurrenz zu den Reben gering gehalten. Entsprechende Untersuchungen zum Wasserstress und zur Vitalität der Reben sowie zum Traubenertrag sind vorgesehen. Auf dem Versuchsstandort Pfortenser Köppelberg (bei Schulpforta) wurden im August 2016 (ehemalige offene Gassen) und im September 2017 (ehemalige Fahrgassen) drei Ansaatvarianten (zwei Wildpflanzenmischungen, eine konventionelle Weidelgras-Weißklee-Mischung) auf einem Blockversuch mit vier Wiederholungen angesät. Auf den Varianten im Versuchsweinberg sowie auf einem benachbarten Kontrollweinberg mit konventioneller Begrünung (Weidelgras-Weißklee-Einsaat in Wechsel mit offener Gasse) werden verschiedene Parameter zur Vegetationsentwicklung sowie zur Abundanz ausgewählter Tierartengruppen (Schmetterlinge, Wildbienen, Vögel) regelmäßig erfasst.
Verantwortlich: Hochschule Anhalt
Erste Ergebnisse
Vegetationsentwicklung
2017 konnte durch die Wildpflanzeneinsaat eine Erhöhung der Gesamtartenzahl der Pflanzen im Vergleich zum Ausgangsjahr 2016 (vor Versuchsbeginn konventionelle Bewirtschaftung: Offengassen im Wechsel mit Weidelgras-Weißklee-Mischung) um 130 % erreicht werden, während sich die Gesamtartenzahl 2018, bedingt durch ausgesprochen trockene Witterung, geringfügig verringerte. 2019 erhöhte sich die Gesamtartenzahl um 150 % im Vergleich zum Ausgangszustand 2016 (Abb. 1).
Von den insgesamt 72 auf der Blockanlage Köppelberg angesäten Pflanzenarten hatten sich 2017 71 % etabliert, während im Jahr 2018 die Etablierungsrate auf 57 % sank und sich 2019 geringfügig auf 63 % erhöhte.
Nektar- und Pollenangebot
Zur Abschätzung des Nektar- und Pollenangebots wurden auf den Dauerflächen von April bis August 2018 bzw. April, Juni-August 2019 Abundanzdaten zu Blüten (5 Klassen, 1-5) erfasst, mit artspezifischen Nektar- und Pollenwerten (z.B. Pritsch 2007 Bienenweide (5 Klassen, 0-4)) multipliziert, das Produkt durch die Anzahl der Wiederholungen geteilt und somit ein mittlerer Nektar- und Pollenindex berechnet. Das Nektar- und Pollenangebot für Bestäuber und andere Nützlinge konnte durch die Ansaat deutlich verbessert werden (siehe Abb.2).
Um den Effekt der Wildpflanzen-Ansaaten auf Bestäuber zu untersuchen, wurden von 2017 bis 2019 Tagfalter und Wildbienen am Köppelberg, sowie auf einem benachbarten Kontrollweinberg mit der Transektmethode kartiert.
Tagfalter
Am Köppelberg wurden 2017 25 Tagfalterarten nachgewiesen, im Jahr 2018 dann 30 und 2019 waren es 17 Tagfalterarten. Dabei wurden in jedem Jahr mehr Tagfalter auf den mit Wildpflanzen angesäten Gassen erfasst als auf dem Kontrollweinberg (Abb. 3, bspw. 2019 +200 %). Unter den erfassten Arten befinden sich auch viele gefährdete Arten wie beispielsweise der Malven-Dickkopffalter (Carcharodus alceae) oder der Himmelblaue Bläuling (Polyommatus bellargus).
Wildbienen
Insgesamt wurden 2017 67 Bienenarten am Köppelberg festgestellt, 2018 waren es 66 Bienenarten und 2019 waren es 62 Bienenarten. Somit nutzten im Jahr 2017 61 %, 2018 29 % und 2019 59 % der gefangenen Bienenarten den Versuchsblock als Habitat bzw. Pollen/Nektarquelle. Während 2017 noch ähnlich viele Bienenarten auf allen drei Varianten innerhalb des Blockversuchs nachweisbar waren, zeichnete sich in den nächsten beiden Jahren ab, dass die niedrigwüchsige Variante von mehr Bienenarten genutzt wird als die hochwüchsige und die konventionelle Gras-Klee-Saat (Abb.4). Nichtsdestotrotz wurden in allen drei Untersuchungsjahren deutlich mehr Bienenarten in der Umgebung des Blockversuchs nachgewiesen. Nachdem die Anzahl der Wildbienenarten im Blockversuch von 2017 auf 2018 aufgrund des heißen Sommers um die Hälfte gesunken war, konnten 2019 wieder mehr Bienenarten nachgewiesen werden.
Arbeitspaket 3: Management von Weinberggassen durch Schafbeweidung
Arbeitspaket 3: Management von Weinberggassen durch Schafbeweidung
Durch die Beweidung der Weinberge mit robusten Schafrassen kann der Maschineneinsatz in Steillagen reduziert werden. Um Erosionsprozesse durch die Beweidung zu vermeiden, wurden die Gassen auf der Demonstrationsfläche am Saalhäuser Weinberg im Herbst 2016 mit einer Samenmischung aus Magerrasenarten angesät. Dafür wurde zertifiziertes Wildpflanzensaatgut aus einem regionalen Vermehrungsbetrieb verwendet. Durch die Einbindung der angrenzenden Streuobstwiese in das Beweidungskonzept wird die Pflege dieser sichergestellt und zugleich ein flexibler Einsatz der Schafe im Weinberg ermöglicht.
Die Schafe haben die Aufgabe, die Gassen zu beweiden und die Traubenzone zu entblättern. Der positive Effekt der Schafe bei der Entblätterung liegt darin begründet, dass diese auch Blätter im Inneren entfernen, während Entblätterungsmaschinen die Laubwand nur äußerlich abzupfen. Dadurch wird eine deutliche Reduktion des Pilzbefalls erwartet.
Auf der Demonstrationsfläche werden ab April 2017 auf beweideten und unbeweideten (gemulchten) Gassen verschiedene Vegetations- und Bodenparameter sowie Rebenvitalität und Traubenqualität regelmäßig erfasst und vergleichend bewertet.
Um den Effekt der Beweidung (in Verbindung mit der Wildpflanzenansaat) auf die faunistische Biodiversität zu untersuchen, wurden von 2017 bis 2019 Tagfalter und Wildbienen am Saalhäuser Weinberg, sowie auf einem jeweils benachbarten Kontrollweinberg mit der Transektmethode kartiert.
Verantwortlich: Hochschule Anhalt
Erste Ergebnisse
Fraßverhalten der Schafe
Die Beweidung führte zu einer starken Reduktion der Biomasse in den Gassen, dem Unterstockbereich und den Weinreben. Dadurch waren im Jahr 2017 zwei Fungizidbehandlungen weniger notwendig, als auf den gemulchten Flächen. Die Aktivitäten der Schafe verteilten sich zum größten Teil auf Ruhen (66%) und Fressen (24%). Der Unterstockbereich wurde dabei von den Schafen etwas häufiger besucht als die Zwischengassen. Die unreifen Trauben waren für die Tiere nicht von Interesse. Nach der Traubenreife wurden diese z.T. gefressen, wobei der Gesamtschaden jedoch gering blieb (siehe Abb.5).
2018 wurde das Fraßverhalten der Schafe mittels GPS-Halsbändern analysiert. Es zeigte sich, dass die Beweidung der Flächen vor allem nachts stattfand, was zum Teil jedoch auch durch die große Hitze im Sommer 2018 bedingt war (Abb. 6). Es wurde zudem deutlich, dass die gesamte Fläche gleichmäßig beweidet wurde, wobei die Schafe sich vor allem nachts gerne an den höher gelegenen Steillagen aufhielten. Eine Unter- oder Überbeweidung einzelner Bereiche fand nicht statt.
Tagfalter
Auf dem Saalhäuser Weinberg wurden 2017 22, 2018 31 und 2019 29 Tagfalterarten erfasst. Zwischen den beweideten Transekten und den gemulchten Transekten gab es kaum Unterschiede in der Anzahl der Tagfalterarten (Abb.7) . Der Anteil wertgebender Arten ist auf dem Saalhäuser Weinberg höher als aus dem Köppelberg. In allen drei Jahren wurden mehr Tagfalter auf den Wildpflanzenansaaten erfasst als auf dem konventionell bewirschafteten Kontrollweinberg.
Wildbienen
Insgesamt wurden 2017 58 Wildbienenarten, 2018 70 Wildbienenarten und 2019 71 Wildbienenarten auf dem Saalhäuser Weinberg sowie den umgebenden Flächen (Göttersitz, Wanderparkplatz und Weinbergwege) nachgewiesen. Dabei konnten bei den Kartierungen 2019 erstmals mehr Bienenarten auf dem Blockversuch (54 Arten) als in der Umgebung (39 Arten) nachgewiesen werden. Im Jahr 2017 nutzen 55 % aller Wildbienenarten den Blockversuch, 2018 waren es 57 % und 2019 76 % („BLOCK“, Abb. 8). Unabhängig von der Bewirtschaftungsmethode konnten auf den Gassen mit den höherwüchsigen Wildpflanzen in allen drei Jahren mehr Wildbienenarten nachgewiesen werden als auf den Gassen mit den niedrigwüchsigeren Wildpflanzen. Nachdem die Anzahl an Bienenarten sich auf dem Kontrollflächen von 2017 auf 2018 verdreifacht hatte, nahm sie 2019 wieder leicht ab. In allen drei Jahren wurden auf den konventionell begrünten Kontrollflächen weniger Bienen gefangen als auf den Wildpflanzen-Varianten im Blockversuch.
Arbeitspaket 4: Bodenuntersuchungen und Erfassung des Erosionspotenzials
Arbeitspaket 4: Bodenuntersuchungen und Erfassung des Erosionspotenzials
Ziel ist die Erstellung von hochauflösenden Weinbergsbodenkarten, z. B. zu Bodenart, Gründigkeit, Carbonatgehalt, Wasser- und Nährstoffspeichervermöge sowie eine Abschätzung des Erosionsrisikos für die Versuchsstandorte in der Projektregion. Für letztere Fragestellung soll ein weinbauspezifisches Risikoprognosetool entwickelt werden. Zudem erfolgen begleitende Untersuchungen (Messstellennetz für Boden-Pflanze-Klima, Erosionspotenzial) auf den beiden Demonstrationsweinbergen Köppelberg und Saalhäuser.
Verantwortlich:JENA-GEOS®-Ingenieurbüro GmbH
Erste Ergebnisse
2018/2019 lagen die Gesamtdeckungen im April bei ca 70 %, nahmen jedoch bis August aufgrund der anhaltenden Trockenheit auf allen Begrünungsvarianten drastisch auf unter 10 % ab (Abb. 9 ). Auf den Wildpflanzen-Varianten stieg die Gesamtdeckung jedoch bis November 2018/September 2019 wieder deutlich auf ca. 45-50 % an, während auf der konventionellen Variante die Deckung der Krautschicht bis November 2018/September 2019 nur Deckungswerte von ca. 25-35 % erreichte. Die Wildpflanzen-Varianten verfügten also über mehr Resilienz und konnten aufgrund der höheren Deckungswerte (insbesondere der Kräuter) ihre erosionssichernde Wirkung besser entfalten, als die koventionell begrünte Variante.
Arbeitspaket 5: Bewertung von Ökosystemleistungen im Weinberg
Arbeitspaket 5: Bewertung von Ökosystemleistungen im Weinberg
Die Effekte konventioneller und im Projekt entwickelter Begrünungs- und Managementmethoden von Weinberggassen sollen hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Biodiversität sowie auf ausgewählte Ökosystemdienstleistungen bewertet werden. Dafür wurden Versorgungsleistungen (z. B. Traubenproduktion und -qualität), Regulierungsleistungen (z. B. Bestäubung, Schädlingskontrolle, Wasserrückhaltevermögen, Erosionsschutz) und kulturelle Leistungen (z. B. Bildung, Tourismus, Ästhetik) ausgewählt. Als wichtige Indikatoren dafür dienen z. B. die Anzahl blühender Pollen- und Nektarpflanzen, die Anzahl von Schmetterlingen, Wildbienen und Schwebfliegen, verschiedene Bodenparameter, Durchwurzelung und Bodenabtrag sowie Wasserstress der Reben, Rebenvitalität, Säure- und Zuckergehalt der Trauben, Erntemenge auf den verschiedenen Varianten. Im zweiten Schritt werden die prognostizierten klimatischen Veränderungen einbezogen und der Mehrwert der im Projekt entwickelten Maßnahmen durch eine Kosten-Nutzen-Analyse bewertet.
Verantwortlich: Landgesellschaft Sachsen-Anhalt
Projektleitung
Landgesellschaft Sachsen-Anhalt: Jörn Freyer (Projektkoordinator, freyer.j@lgsa.de), Dr. Cornelia Deimer (Koordination Arbeitspaket 5, deimer.c@lgsa.de)
Projektpartner
· Landesweingut Kloster Pforta: Bastian Remkes (remkes@kloster-pforta.de), Jens Eckner (Koordination Arbeitspaket 1, eckner@kloster-pforta.de)
· Hochschule Anhalt: Prof. Dr. Sabine Tischew, Dr. Anita Kirmer (Koordination Arbeitspaket 2-3), M.Sc. Jenny Förster, Mark Pfau (M.Sc.), Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Teubert
· JENA-GEOS®-Ingenieurbüro: Christoph Scheibert (Koordination Arbeitspaket 4, scheibert@jena-geos.de), Sascha Meszner
Kooperationspartner
· Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt
· University of Debrecen, Department of Ecology
· Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein
Gefördert durch das EU-Förderprogramm für Klima und Umwelt, LIFE
Projektnummer: LIFE15 CCA/DE/000103 LIFE VinEcos
Laufzeit: 7/2016 - 12/2020
Projektwebseite:LIFE VinEcos