Stärkung von Restvorkommen der Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) im Nordharzvorland und an der Saale sowie Betreuung weiterer Vorkommen in Sachsen-Anhalt

  • Hintergrund

    Hintergrund

    Die Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides) ist im Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als prioritäre Art aufgeführt. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, Populationen mit ungünstigem Erhaltungszustand aufzuwerten und eine Verschlechterung von Populationen mit günstigem Erhaltungszustand zu verhindern. Die konkurrenzschwache Jurinea cyanoides ist stark an Trockenheit angepasst und besiedelt kontinentale Sandtrockenrasen. Sie wird in den Roten Listen Deutschlands und Sachsen-Anhalts als stark gefährdet (RL 2) aufgeführt. In Deutschland liegen die größten Vorkommen in Hessen, Baden- Württemberg und Sachsen-Anhalt. Neben den Populationen in Deutschland gibt es in Mitteleuropa nur eine Population in Tschechien.

    Die Änderung oder der komplette Wegfall historischer Nutzungsformen, wie Beweidung, Brand und Plaggen, führten zu einem Nutzungs- und Pflegedefizit eines Großteils der Populationen von Jurinea cyanoides. Zusammen mit einem vermehrten atmosphärischen Stickstoffeintrag resultiert dies in verfilzten und streureichen sowie teilweise verbuschten Beständen mit einem Mangel an für die Etablierung geeigneten Rohbodenflächen. Diese Standortbedingungen bewirkten einen starken und aktuell andauernden Rückgang der Sand-Silberscharte. Zu Projektbeginn standen in Sachsen-Anhalt 19 aktuelle Fundpunkte mindestens 46 erloschenen gegenüber. Fünf Populationen bestanden aus weniger als 100 Rosetten. Um das Erlöschen rosettenarmer Populationen zu verhindern, die Populationen zu vergrößern und Jurinea cyanoides längerfristig zu erhalten, müssen durch ein geeignetes Management die Standortbedingungen in bestehenden Populationen verbessert und neue Standorte geschaffen werden.

  • Projektgebiete und Maßnahmen

    Projektgebiete und Maßnahmen

     

     

    Alle Projektgebiete liegen innerhalb Sachsen-Anhalts und lassen sich dabei in drei Regionen unterteilen: Das Elbgebiet mit Populationen bei Gerwisch, Lübs, Gödnitz und Steckby; das Saalegebiet mit der letzten bestehenden Population der Sand-Silberscharte bei Wettin und das Nordharzvorlandgebiet, dessen Populationen auf der Karte abgebildet sind.

    In den seit 2008 laufenden Projekten der Hochschule Anhalt erfolgten insgesamt an elf Standorten in Sachsen-Anhalt Wiederansiedlungen, Populationsstärkungen und Pflegemaßnahmen zur Förderung der Sand-Silberscharte.

  • Populationsstärkungen

    Populationsstärkungen

    Im Elbgebiet wächst die Silberscharte auf Dünensanden. Im Winter 2008/2009 erfolgten Wiederherstellungsmaßnahmen an den drei im Biosphärenreservat Mittelelbe gelegenen Fundpunkten Lübser Heuberg, Sandtrockenrasen nördlich Gödnitz und Alter Heutrockenplatz nahe Steckby. Durch Abplaggen der obersten Bodenschicht mit einem Kettenlader und dem Aufbringen nährstoffarmen Sandes auf einer Fläche von 500 bis 1700 m² drängten wir Sand-Segge (Carex arenaria), Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos) und weitere konkurrenzstarke Arten zurück und schufen großflächig Konkurrenzarmut. In Gödnitz konnte durch Entnahme von Waldkiefern (Pinus sylvestris) und Robinien (Robinia pseudocacia) der Sandrasen vergrößert werden. Zur Stärkung der zuvor ca. 100 Rosetten großen Populationen bei Gödnitz und Steckby brachten wir 1500 - 3000 teilweise zwischenvermehrte Samen vom nahe gelegenen Lübser Heuberg – der größten Population Sachsen-Anhalts – ein. Die Maßnahmen wurden durch Verteilen von Faltblättern in umliegenden Gemeinden begleitet. Aktuell zählt die Population bei Gödnitz mit ca. 50.000 Rosetten zur drittgrößten Population in Sachsen-Anhalt neben dem Lübser Heuberg und dem Weinberg Ost.

    Im aktuellen Projekt werden Populationsstärkungen im Nordharzvorland am Großen Thekenberg bei Harsleben, am Steinbruch Rümken und Kleinen Lehof bei Westerhausen sowie auf dem Sandtrockenrasen nördlich von Gerwisch bei Magdeburg durchgeführt. Die Flächen müssen zum Teil mit dem Freischneider etwa 5 cm abgeplaggt werden, um genügend Offenboden für die Samenausbringung zu schaffen.

    Eine Samenvermehrungskultur soll im Rahmen der Projektlaufzeit für die Population bei Mücheln (Wettin) angelegt werden. Die besondere Schwierigkeit dabei: nur in Jahren mit ausreichend Niederschlag ist eine Besammlung der Population möglich, da der Trockenstress ansonsten auch bei der Sand-Silberscharte das Blühen und Samenreifen verhindert.

  • Wiederansiedlungen

    Wiederansiedlungen

    Im Frühjahr 2010 erfolgte im nördlichen Harzvorland bei Blankenburg eine Wiederansiedlung nahe dem erloschenen Fundpunkt Sassenberg. Hier wurden im Rahmen einer Kompensationsmaßnahme mehrere insgesamt 6 ha große Sandhügel aufgeschüttet. Auf der nur lückig bewachsenen Südseite des Weinbergs Ost brachten wir ca. 6000 Samen ein. Die zwischenvermehrten Samen stammen größtenteils vom Großen Thekenberg. Im Herbst 2013 wuchsen auf dem Weinberg Ost ca. 7.100 Rosetten der Silberscharte.

    Für den Mühlberg nahe Steckby ist im Jahr 1983 ein inzwischen erloschenes Vorkommen der Silberscharte erwähnt. Durch Abschieben von durch Carex arenaria dominierten Beständen und Aufbringen von nährstoffarmem Sandboden stellten wir hier im Winter 2010/2011 auf 1600 m² konkurrenzarme Bedingungen her. Dann brachten wir ca. 8.000 Samen der Silberscharte ein, die vom Lübser Heuberg stammen und im Schutzgarten des Biosphärenreservats Mittelelbe zwischenvermehrt wurden. Im Herbst 2013 ergab eine Hochrechnung aus 2 x 100 Flächen ca. 16000 Rosetten, davon viele Jungpflanzen.

    Im Winter 2011/2012 erfolgte in der Oranienbaumer Heide eine Ansiedlung der Sand-Silberscharte mit 2.000 vom Lübser Heuberg entnommenen Samen. Erloschene Fundpunkte sind in derselben naturräumlichen Haupteinheit, dem Elbe-Mulde-Tiefland, beispielsweise nahe dem ca. 15 km entfernten Mosigkau bekannt. Durch die extensive Beweidung mit Heckrindern und Koniks auf ca. 750 ha wurden in der Oranienbaumer Heide wieder dynamische Prozesse initiiert. Hier wird die Etablierung der Silberscharte während einer andauernden Bodenstörung untersucht.

  • Weitere Projektaufgaben

    Weitere Projektaufgaben

    Die Silberscharten-Populationen Günthermannskopf (Harzvorland) , Steckby und Gödnitz (Elbe) werden tief gemäht. In Mücheln erfolgt eine Beweidung mit Schafen und im Winter eine Nachpflege der Fläche durch Gehölzentnahme. Die Ziegenbeweidung auf drei Populationen im Harzvorland wird fachlich begleitet. Eine Beweidung auf mindestens einem oder mehr Standorten ist angestrebt. Ebenso erfolgt Nachpflege auf den vier erfolgten Wiederansiedlungs- und Populationsstärkungsstandorten durch Gehölzentnahme und Mahd. Die wissenschaftlichen Versuche in Gödnitz, Steckby und der Oranienbaumer Heide werden langfristig untersucht und dokumentiert. Seit 2021 wurde außerdem ein allgmeines Monitoring für fast alle Populationen der Sand-Silberscharte in Sachsen-Anhalt begonnen, um die Entwicklung der Populationen vergleichen zu können und gegebenenfalls Handlungsbedarf abzuleiten.

    Weiterhin werden Nachzuchten von Silberscharten an der Hochschule Anhalt und dem Schutzgarten Teufelsmauer in Kooperation mit dem Förderverein Teufelsmauer e.V. betreut.

  • Naturschutzfachliche Erfolgskontrolle und Ergebnisse

    Naturschutzfachliche Erfolgskontrolle und Ergebnisse

    An den Populationsstärkungen Gödnitz und Alter Heutrockenplatz wurde im Winter 2008/2009 jeweils ein Versuch im Latin-Square-Design angelegt. In diesem untersuchen wir verschiedene Wiederherstellungsmaßnahmen zur Förderung der Silberscharte und die Standortansprüche der Art. Die Managementvarianten 1) Oberbodeninversion, 2) Oberbodeninversion mit Sodenschüttung, 3) Mahd und 4) Ausgangsbestand ohne Wiederherstellung werden mit je vier Wiederholungen verglichen. Für jede Managementvariante und Wiederholung werden die Keim- und Sterberaten von 50 eingebrachten und markierten Samen der Silberscharte untersucht und die Vegetationsentwicklung über Aufnahmen nach Zacharias (1996) dokumentiert.

    Die höchste Anzahl an lebenden und blühenden Silberscharten sowie die größten Rosetten sind in vegetationsarmen Beständen der Oberbodeninversion zu finden. Schon durch Oberbodeninversion und Sodenschüttung geschaffene Bestände mit konkurrenzschwachen Sandspezialisten wie Silbergras (Corynephorus canescens), Bauernsenf (Teesdalia nudicaulis) und Kleiner Sauerampfer (Rumex acetosella) sind deutlich schlechter für die Etablierung der Silberscharte geeignet. Dichtere Vegetationsbestände der Methoden Mahd und Ausgangsbestand (ab ca. 50 % Krautschicht, 70 % Kryptogamen, 10 % Rohboden) sind kaum für Jurinea cyanoides geeignet. Die Ergebnisse legen nahe, dass viele Populationen der Sand-Silberscharte in Sachsen-Anhalt Altersstadien sind, da durch dichte Vegetationsbestände kaum oder keine generative Verjüngung möglich ist.

  • Ausblick

    Ausblick

    Die Sand-Silberscharte ist auch zukünftig auf intensive Schutzmaßnahmen angewiesen, die nährstoffarme Sandflächen erhalten oder neu schaffen. Neben dem Erhalt der aktuellen Vorkommen erweisen sich hierfür auch Wiederansiedlungen an geeigneten Standorten als notwendig. Die Pflege und Erfolgskontrolle der oben beschriebenen Populationen wird in den folgenden Jahren fortgeführt. Der zuletzt gestiegene Anteil beweideter Populationen der Silberscharte (acht von 19 in Sachsen-Anhalt sind aktuell beweidet) ist positiv zu bewerten. Hier gilt die Beweidung weiterhin auf die speziellen Ansprüche der Silberscharte anzupassen und hinsichtlich einer für die generative Verjüngung notwendigen Auflichtung der Krautschicht zu optimieren. Die Aufnahme aktuell  nicht beweideter Populationen in eine Beweidung sollte angestrebt werden. Populationen, die aufgrund schlechter Rahmenbedingungen nicht für eine Beweidung geeignet sind, sollten durch sehr bodennahe Mahd gepflegt werden.

 

 

Projektleitung: Prof. Dr. Sabine Tischew
Projektbearbeitung: M. Sc. Vera Maria Grünhage, M. Sc. Mark Pfau, B. Sc. Franka Beyer

Projektlaufzeiten: 2008; 2009-2011; 2011-2013; 2013-2015; 2017-2020; 2020-2024


Gefördert durch: Europa-ELER, ELER-Sachsen-Anhalt, Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt: ELER Sachsen-Anhalt,Förderperiode 2014 – 2020 (23)
Kooperationspartner: Biosphärenreservat Mittelelbe, Bundesforstbetrieb Mittelelbe, Flächeneigentümer, Naturschutzbehörden