Informationssystem Naturnahe Begrünungsmaßnahmen (INB) und Spenderflächenkataster Sachsen-Anhalt
Hintergrund
Bei naturnahen Begrünungsmaßnahmen werden Arten gebietseigener Herkünfte verwendet, welche an die vorhandenen Standortbedingungen angepasst sind. Neben der Bewahrung der floristischen Identität der Naturräume und der Förderung der Biodiversität wird außerdem eine hohe ökologische Wirksamkeit der Maßnahmen und damit ein definiertes Begrünungsziel erreicht. Der Nachbesserungs- bzw. Nachpflegeaufwand und die damit verbundenen Kosten für umgesetzte Maßnahmen reduzieren sich erheblich. Mit der Novelle des BNatSchG von 2010 wird im §40 (4) festgelegt, dass das Ausbringen gebietsfremder Arten und Unterarten in der freien Landschaft (mit Ausnahme der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung) der behördlichen Genehmigung bedarf. Während eines Übergangszeitraumes bis zum 01.03.2020 soll Behörden, Planern und ausführenden Unternehmen eine Umstellung auf diesen neuen rechtlichen Rahmen ermöglicht werden.
Als Reaktion darauf wurden im Mai 2014 von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau die "Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut" herausgegeben (FLL 2014). Ziel dieses Regelwerkes ist es, Saatgutproduzenten, Ausführenden, Behörden und Planern eine Hilfestellung bei der Auswahl von Begrünungsverfahren mit gebietseigenem Saatgut und der Erstellung von Ausschreibungen zu geben. Dabei wird zwischen Begrünungen nach dem Landschaftsbau, bei denen die im Regelwerk vorgegebenen Mischungen aus Regiosaatgut als Mindeststandard verwendet werden sollen, und der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen bzw. der Verwendung in Schutzgebieten, bei denen vorzugsweise direkt geerntetes Samenmaterial aus der näheren Umgebung verwendet werden soll, unterschieden.
Das Spenderflächenkataster Sachsen-Anhalt soll die Lokalisierung von naturschutzfachlich und wirtschaftlich geeigneten Spenderflächen zur Direkternte von Samen- und Pflanzenmaterial und zur Sammlung von Basissaatgut für die regionale Vermehrung in Sachsen-Anhalt vereinfachen und dadurch die Verwendung von gebietseigenen Herkünften bei Kompensations- und Renaturierungsmaßnahmen befördern. Das länderübergreifende Informationssystem Naturnahe Begrünungsmaßnahmen (INB) bietet dabei umfassende Informationen zur Planung und Umsetzung dieser Maßnahmen.


Informationssystem Naturnahe Begrünungsmaßnahmen (INB)
Als Hinderungsgründe für die Anwendung alternativer Begrünungsmethoden werden immer wieder Unsicherheiten und fehlende Erfahrungen, zu hohe Kosten, aufwändigere Erfolgskontrollen sowie fehlendes gebietsheimisches Material (sowohl aus der Wildpflanzenvermehrung als auch durch Direktgewinnung, z. B. mit Wiesendrusch oder Mahdgut) angegeben.
Mit dem Ziel, Fachwissen zu naturnahen Begrünungsmaßnahmen zu vermitteln, wurde das Fachinformationssystem INB entwickelt und unter www.spenderflaechenkataster.de veröffentlicht. Hier werden Erkenntnisse und Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis in übersichtlicher Form dargestellt.
Das INB ist länderübergreifend konzipiert und dient interessierten Nutzern und potenziellen Anwendern als Einstiegsseite in die Thematik naturnaher Begrünungsmaßnahmen. Neben der regelmäßigen Aktualisierung und Erweiterung des Inhaltes wird ein sehr großer Wert auf die Nutzerfreundlichkeit und das schnelle Auffinden der verfügbaren Informationen gelegt.
Die Internetplattform enthält einen Überblick zu unterschiedlichen naturnahen Begrünungsmethoden, Hinweise zu deren Planung, Umsetzung, Pflege und Entwicklung zu entstehenden Kosten sowie eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen. Weiterhin bieten eine umfangreiche Liste mit Links zu Institutionen und Praktikern sowie eine aktuelle Literaturliste umfassende Informationsmöglichkeiten.
Mit der Weitergabe von praktischen Erfahrungen, z. B. durch Demonstrationsworkshops für Planer, Genehmigungsbehörden und Umsetzer, können Vorbehalte gegenüber den neuen Methoden abgebaut und Fehler bei deren Anwendung reduziert werden.



Spenderflächenkataster Sachsen-Anhalt
Im Spenderflächenkataster für Sachsen-Anhalt werden Flächen verwaltet, die aus naturschutzfachlicher und wirtschaftlicher Sicht potenziell für eine Gewinnung von gebietseigenem Saatgut geeignet sind. Für die Wirtschaftlichkeit werden z. B. der Verbuschungsgrad, die Neigung, das Relief und die Zugänglichkeit bewertet. Alle in der Datenbank enthaltenen Flächen haben einen Schutzstatus, wobei ein Großteil in FFH- und/oder Naturschutzgebieten liegt. Die Aufnahme einer Fläche im Kataster beinhaltet ausdrücklich keine Genehmigung dort Saatgut zu sammeln oder zu mähen. Jegliche Beerntung bedarf einer Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörden sowie der Flächennutzer. Gegebenenfalls ist ein Ausgleich für Ertragsausfälle zu leisten.
Zwischen 2006 und 2014 wurden 406 potenzielle Spenderflächen in die Datenbank aufgenommen. Diese werden seit 2017 sukzessive evaluiert, da die Gefahr besteht, dass durch mögliche Pflegedefizite Gräser und Gehölze zunehmen und dadurch die Zielarten immer mehr zurückgehen. Im Jahr 2014 wurden 50 Flächen, welche 2006 in das Spenderflächenkataster aufgenommen wurden, neu bewertet, mit dem Ergebnis, dass neun dieser Flächen die Kriterien für Spenderflächen nicht mehr erfüllten. Diese Flächen wurden aus der Spenderflächendatenbank entfernt und in ein projektinternes Maßnahmenkataster überführt. Die erneute Begehung und Bewertung der in der Datenbank geführten Flächen sowie die Neuaufnahme von Flächen dauert weiter an. Im vergangenen Projektzeitraum wurden bereits 102 Flächen neu begutachtet und daraus 61 optimale Spenderflächen, welche in ihrer Artzusammensetzung bestens für Begrünungsmaßnahmen geeignet sind, festgelegt. Auch in Zukunft können z. B. interessierte Landwirte über ein Onlineformular geeignete Spenderflächen melden.
Für Nutzer des Katasters stehen umfassende Suchfunktionen zur Verfügung. So können über eine Übersichtskarte, eine Eingabemaske sowie aus einer Liste Spenderflächen recherchiert werden. Verfügbare ökologische und ökonomische Daten werden in Steckbriefen angezeigt; für die Anzeige der genauen geographischen Lage ist eine Registrierung des Nutzers erforderlich.




Demonstrationsworkshops
Demonstrationsworkshops sind wichtige Instrumente für Planer, Behörden und Umsetzer, um Vorurteile bei der Verwendung von gebietseigenen Wildpflanzen bei Begrünungsmaßnahmen sowie der Planung und Umsetzung von naturnahen Begrünungen abzubauen. Im Rahmen dieser Workshops können offene Fragen beantwortet und Kontakte zwischen den verschiedenen Interessengruppen vermittelt werden. Die Hochschule Anhalt veranstaltet deshalb in regelmäßigen Abständen Workshops und Exkursionen zu verschiedenen Themenkreisen. Nähere Informationen unter: www.spenderflaechenkataster.de oder www.offenlandinfo.de.


Die Verwendung gebietseigener Herkünfte von Arten in Renaturierungs- und Begrünungsprojekten wird aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dafür notwendige Informationen sind im Informationssystem Naturnahe Begrünungsmaßnahmen (INB) enthalten, wobei angestrebt wird, den Wissenszuwachs aus Forschung und Praxis fortlaufend zu integrieren.
Darüber hinaus ist ein zunehmender Beratungsbedarf bei der Durchführung von Begrünungsmaßnahmen zu erkennen. Mit Blick auf die naturschutzfachliche Bedeutung und die Aktualität naturnaher Begrünungsmethoden müssen deshalb Strukturen geschaffen werden, die sowohl bei der Auswahl geeigneter Methoden zur Gewinnung gebietseigenen Saatgutes als auch bei der Maßnahmenumsetzung eine fachliche Beratung gewährleisten. Deshalb wurden aus dem Spenderflächenkataster 102 Flächen erneut kartiert und bewertet und daraus 61 optimale Spenderflächen ausgewählt, welche alle Regionen Sachsen-Anhalts und wichtigen Lebensraumtypen abdecken und für eine Direkternte ausreichend groß sind. Diese Flächen sollen regelmäßig (alle 2-3 Jahre) auf ihre Eignung überprüft werden. Zudem werden Vorabsprachen mit den Bewirtschaftern und den zuständigen Naturschutzbehörden getroffen. Es ist wichtig, die Bewirtschafter über den ökologischen und ökonomischen Wert ihrer artenreichen Grünlandbestände zu informieren um deren Bereitschaft zu erhöhen, die naturschutzfachlich wertvollen Flächen in einem guten Pflegezustand zu erhalten. Durch eine rotierende Beerntung der Flächen können sich Landwirte eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen.
Um die Methodik zur Gewinnung von Samenmaterial zu vereinfachen, sollen Versuche mit einem Wiesensamenernter („eBeetle 2.0“) durchgeführt werden. Das Gerät ermöglicht ein schonendes und effizientes Ausbürsten der Samen aus den Pflanzen einer Spenderfläche sowie das Beernten von schwer zugänglichen, für Großgeräte nicht oder schwer erreichbaren Flächen. Neben der Anwendbarkeitsprüfung des Wiesensamenernters auf verschiedenen Standorten soll auch die Qualität des so gewonnenen Wiesendruschmaterials geprüft werden. Eine höhere Reinheit des Materials begünstigt die Lagerfähigkeit. Um außerdem Anwendungsempfehlungen zur Lagerung von Wiesendrusch zu entwickeln, wird die Keimfähigkeit von eingelagertem Wiesendruschmaterial unter verschiedenen Lagerbedingungen und Lagerzeiten untersucht. Dazu werden die bereits im vergangen Projektzeitraum begonnenen Keimversuche fortgeführt. Eine gute Lagerfähigkeit des Samenmaterials ermöglicht den Landnutzern mehr Flexibilität bei der Gewinnung und Vermarktung von regionalem Saatgut.
Projektleitung: Prof. Dr. Sabine Tischew, Dipl.-Ing. (FH) Sandra Mann
Projektbearbeitung: M. Sc. Jenny Förster, B. Sc. Annemarie Guthke
Projekttitel:
Erweiterung und Betreuung des Spenderflächenkataster Sachsen-Anhalt und des Informationssystems für naturnahe Begrünungen – Intensivierung und Ausbau des Wissenstransfers für die Aufwertung und Entwicklung wertvoller FFH-Offenlandlebensräume
Projektzeitraum: 10-2020 bis 05-2022 (Projekt 407.1.10-60128/630120000010)
Gefördert durch: Europa-ELER, ELER-Sachsen-Anhalt, Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt: ELER Sachsen-Anhalt,
Förderperiode 2014 – 2020
Projektpartner: Matthias Stolle (saale-saaten, Halle), Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt,
Landesforstbetrieb Sachsen-Anhalt, Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt,
Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz Sachsen-Anhalt, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH
