Ökologische und ökonomische Optimierung von Methoden zur Aufwertung von Saumgesellschaften in produktiven Agrarlandschaften (ProSaum)

  • Hintergrund

    Hintergrund

    Kräuterreiche, mehrjährige Säume und Feldraine sind wichtige lineare Verbindungsstrukturen zwischen verschiedenen Lebensräumen und Nutzungstypen in der Kulturlandschaft. Sie dienen dem Biotopverbund und sind Nahrungs-, Fortpflanzungs-, Rückzugs- und Überwinterungshabitate für Vögeln, Feldhasen, Kleinsäugern und Insekten. Darüber hinaus bereichern sie durch ihren Blühaspekt das Landschaftsbild und erhöhen so die Lebensqualität. Vor allem in intensiv genutzten Agrarregionen existieren heute vielfach nur noch artenarme, grasdominierte Saumfragmente, die weder ihre ökologische noch ihre ästhetische Funktion erfüllen können.

    Leider enthalten viele handelsübliche Samenmischungen zur Anlage von Saumstrukturen bisher überwiegend kurzlebige Kulturarten und Zuchtsorten (z. B. Buchweizen, Bartnelke), z. T. sogar problematische Neophyten (Lupine, Orientalische Zackenschote), die spezialisierten Tierarten (z. B. Wildbienen, Schwebfliegen) wenig Nutzen bringen. Diese Mischungen zeigen zwar im ersten Jahr nach der Ansaat einen Blühaspekt; im zweiten oder dritten Jahr fallen die meisten dieser Arten jedoch wieder aus, da sie sich gegenüber den sich entwickelnden konkurrenzstarken Ruderalarten und Gräsern nicht behaupten können. Bei Neophyten besteht dagegen die Gefahr, dass sie dauerhaft Dominanzbestände bilden und in die Umgebung einwandern.

    Die Aufwertung und Neuanlage von Säumen und Feldrainen führt zur Förderung und zum Erhalt der biologischen Vielfalt im Landschaftsraum. Die Verwendung von artenreichen Samenmischungen aus regional vermehrten Wildpflanzenherkünften, die mindestens 30 krautige Arten enthalten, ist dabei eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Erfolg der Maßnahme.

  • Projektziele

    Projektziele

    Im Projekt wurden Umsetzungsdefizite bezüglich der Verwendung gebietseigener Herkünfte bei der Aufwertung von Säumen und Feldrainen analysiert und praktikable Verfahren für die Etablierung blütenreicher, standortangepasster, mehr jähriger Säume und Feldraine auf produktiven Standorten getestet. Dafür wurden geeignete Samenmischungen für ästhetisch ansprechende Saumgesellschaften entwickelt, die wenig Pflegeaufwand erfordern und sowohl am Rand landwirtschaftlich genutzter Flächen als auch zur Begrünung von Grünflächen, Weg- und Straßen rändern eingesetzt werden können. Die Ergebnisse des Projektes sind in Sachsen-Anhalt in die Gestaltung der Agrarumweltmaßnahme zur Anlage mehrjähriger Blühstreifen in der GAP Förderperiode 2014-2020 eingeflossen.

  • Versuch zur Etablierung eines artenreichen Feldraines

    Versuch zur Etablierung eines artenreichen Feldraines

    Randlich des Versuchsfeldes Ochsendorf am Campus’ Strenzfeld wurde Anfang Oktober 2010 ein Blockversuch mit sechs Varianten und fünf Wiederholungen angelegt. Für die Ansaat­varianten wurde der vorhandene, artenarme Grassaum durch einmaliges und dreimaliges Fräsen zerstört. Am 07.10.2010 wurden die gefrästen Flächen mit 49 gebietseigenen, mehr­jährigen Saum- und Wiesenarten eingesät (z. B. Acker-Witwenblume, Bunte Kronwicke, Färber­kamille, Heil-Ziest, Johanniskraut, Karthäuser Nelke, Margarite, Odermenning, Traubenkopf-Leimkraut, Wiesen-Glockenblume, Wiesen-Salbei, Wilde Malve, Wirbeldost). Die Ansaatmenge lag bei 2 g /m² (ca. 2000 Samen /m²). Nach der Ansaat wurden die Flächen mit einer Glattwalze von Hand angewalzt.

    Auf zwei Varianten blieb die ursprüngliche Vegetation erhalten; diese Flächen wurden 2011 einmal (Anfang Oktober) bzw. dreimal (Anfang Juni, Mitte Juli, Anfang Oktober) gemäht. Die gefrästen und angesäten Flächen wurden im Rahmen der Entwicklungspflege Anfang Juni 2011 gemulcht und Ende August 2011 gemäht. Seit 2012 wird eine Hälfte der Flächen im Früh­sommer (Mitte Juni) und die andere Hälfte im Spätsommer (Anfang September) gemäht und die Biomasse entfernt.

    Ende September 2010 wurde von der Hochschule Osnabrück in Wallenhorst (Niedersachsen) ein vergleichbarer Versuch mit 37 gebietseigenen Arten umgesetzt. 

    Ergebnisse

     

    Auf der Blockanlage in Strenzfeld konnten bis Sommer 2011 86 % und von Sommer 2012-2014 100 % der angesäten Arten nachgewiesen werden. Im Jahr 2014 lag die mittlere Deckung der Ansaatarten auf den früh gemähten Ansaatflächen signifikant höher als auf den spät gemähten. Die mittlere Artenzahl zeigte dagegen bisher nur geringfügige Unterschiede. Dreimaliges Fräsen/Grubbern führte in den ersten Jahren zu signifikant höheren Etablierungsraten im Vergleich zu einer einmaligen Bodenstörung.

    Die Versuche zeigen, dass sich artenarme, grasdominierte Feldraine durch eine intensive Bodenstörung und anschließende Ansaat mit regionalem Wildpflanzensaatgut bei geeigneter Entwicklungspflege im 1. Jahr (2-3 Pflegeschnitte) zu arten- und blütenreichen Beständen entwickeln. Eine frühe Mahd führte auf den nährstoffreichen Schwarzerdeflächen dabei zu höheren Deckungen der Zielarten und einer geringeren Gräserdeckung. Als besonders vorteilhaft erwies sich im Projekt eine Kombination von früher und später Mahd. Während die im Juni gemähten Flächen im Früh- und Spätsommer einen üppigen Blühaspekt aufweisen, blühen die Ansaatarten auf den im September gemähten Flächen im Hochsommer. Bedingt durch den Rückgang der Deckungen der Ansaatarten und die allmähliche Zunahme konkurrenzkräftiger Gräser auf den September-Mahdvarianten ist zu erwarten, dass die Blütenvielfalt auf diesen Varianten in den Folgejahren auch im Hochsommer allmählich abnimmt. Deshalb ist auf nährstoffreichen Flächen eine alternierende frühe und späte Mahd empfehlenswert. Der Erfolg der Maßnahmen wird in den nächsten Jahren durch ein vegetationskundliches Monitoring weiter verfolgt.

  • Schlussfolgerungen für die Anlage von Säumen und Feldrainen in der Praxis

    Schlussfolgerungen für die Anlage von Säumen und Feldrainen in der Praxis

    Aus den Ergebnissen der Untersuchungen wurden wichtige Erkenntnisse für die Planung, Anlage und Pflege von Wildpflanzensäumen und Feldrainen abgeleitet. Eine ausführliche Darstellung findet sich auch in Kirmer et al. (2019).

    Bodenvorbereitung: Bei Aufwertungen von Grassäumen ist der Etablierungserfolg der Ansaatarten umso höher, je gründlicher die Grasnarbe zerstört wird. Die Bodenbearbeitung kann dabei durch Fräsen, Grubbern oder Pflügen erfolgen. Anschließend sollte ein feines Saatbett (z. B. durch Eggen) hergestellt werden.

    Ansaatzeitpunkt: Der günstigste Zeitpunkt für eine Ansaat ist zwischen Ende August bis Mitte September, vorzugsweise unmittelbar vor feuchter Witterung. Alternativ kann auch eine Ansaat zwischen Anfang März und Mitte April erfolgen, wobei dies in Regionen mit ausgeprägter Frühjahrstrockenheit problematisch ist. Samen von Wildpflanzen benötigen mindestens 2-3 Wochen durchgehende Feuchtigkeit, um zur Keimung zu gelangen.

    Ansaatmethode: Die Ansaat kann maschinell z. B. mit Drillmaschinen erfolgen; dabei darf das Saatgut nur oberflächig abgelegt werden (die meisten Wildpflanzen sind Lichtkeimer). Nach der Ansaat sollte die Fläche gewalzt werden, um den Bodenschluss der Samen herzustellen.

    Ansaatstärke: Die empfohlene Ansaatstärke liegt bei max. 2 g/m². Um eine gleichmäßige Verteilung der Arten auf der Fläche zu ermöglichen, sollte das Saatgut mit einem Füllstoff (z. B. Schrot) auf 10-20 g/m² gestreckt werden.

    Entwicklungspflege (1. Jahr): Unerwünschte Arten (z. B. Melden, Gänsefüße) können durch 2-3 Pflegeschnitte in ca. 10-15 cm Höhe vor oder zu Beginn der Blüte zurückgedrängt werden; der Bestand ist dann in der Regel kniehoch. Bei Austrocknungsgefahr und mäßiger Biomasseproduktion kann das Mahdgut als Verdunstungsschutz auf der Fläche verbleiben. Bei sehr üppigem Aufwuchs sollte es abtransportiert werden. Treten Problemarten (z. B. Kletten, Weg-Distel, Acker-Kratzdistel) oder invasive Neophyten auf, müssen zusätzliche Maßnahmen (z. B. Ausmähen, Ausstechen) erfolgen. Wichtig ist, dass rechtzeitig, d.h. im Knospenstadium, eingegriffen wird.

    Folgepflege (ab dem 2. Jahr): Auf nährstoffreichen Standorten ist eine Mahd mit Entfernen der Biomasse im Frühsommer besonders empfehlenswert. Da für Insekten aber eine abschnittsweise Mahd besonders günstig ist, sollte eine Hälfte bereits zwischen Mitte Mai und Mitte Juni und die andere Hälfte 8-10 Wochen später (Ende Juli bis Mitte August) gemäht werden. Auf sehr nährstoffarmen Flächen kann auch eine Hälfte ungemäht bleiben, wobei die Abschnitte im jährlichen Wechsel alternierend gemäht werden sollten, um einer Vergrasung der nicht gemähten Bereiche vorzubeugen.

 

Projektleitung Hochschule Anhalt: Prof. Dr. Sabine Tischew, Prof. Dr. Dieter Orzessek
Projektbearbeitung: Dr. Anita Kirmer, Dipl.-Ing. (FH) Matthias Necker
Gefördert durch: Bundesministerium für Bildung und Forschung (FHprofUnt Programm)
Projektpartner: Hochschule Osnabrück; Prof. Dr. Kathrin Kiehl (Gesamtprojektleitung)
Kooperationspartner: Landwirtschaftsbetrieb Matthias Saudhof; Agrico Lindauer Naturprodukte AG, Hans-Joachim Wuttig;
Landschaftspflegeverein Saaletal e.V.; Rieger-Hofmann GmbH; Matthias Stolle Wildpflanzenvermehrung und –handel