Großflächige Grünlandrenaturierung: Nutzung sog. Etablierungsfenster und hochdiverser Samenmischungen durch Know-How-Transfer und die Bereitstellung regionaler Samenmischungen in Ungarn

  • Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

    Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

    Durch die Zusammenarbeit ungarischer und deutscher Partner soll ein innovatives Konzept zur kosteneffizienten Etablierung von arten­reichem Grünland entwickelt werden. Vor allem sehr große Flächen eignen sich für eine zwei­phasige Begrünung, bei der im ersten Schritt eine artenarme Samenmischung angesät wird, durch die (i) Ackerunkräuter aus der Boden­samenbank unterdrückt und (ii) Erosions­prozesse reduziert werden. Im zweiten Schritt können artenreiche Samenmischungen von regionalen Wildpflanzenarten in sogenannte Etablierungsfenster eingesät werden, die dann als Ausbreitungszentren dienen. Dabei bestehen Forschungsdefizite hinsichtlich der Größe der Etablierungsfenster und der Auswirkung von Beweidung auf die Etablierung und Ausbreitung der angesäten Zielarten. 

    Als Modellgebiet dient eine 760 ha große Acker­fläche im Hortobágy National Park, die zwischen 2005 und 2008 mit 2-3 regionalen Wildgräsern angesät wurde (Zielvegetation Festucion pseudovinae Soo 1933, Festucion rupicolae Pop 1968). Aufgrund fehlender Samenquellen im Gebiet, konnten bisher nur wenige krautige Zielarten diese Fläche besiedeln. Dadurch bietet sich die einmalige Gelegenheit, den zwei­phasigen Renaturierungsansatz auf einer großen Fläche zu testen. Nach der Testphase soll das Konzept auf Landschaftsebene umgesetzt werden und bei der Renaturierung weiterer Flächen im Nationalpark zum Einsatz kommen. Generell ist diese Methode auch auf andere Vegetationstypen mit edaphisch oder klimatisch bedingtem Trockenstress innerhalb und außer­halb Ungarns übertragbar.

    Da in Ungarn bisher kein regional produziertes Wildpflanzensaatgut erhältlich ist, unterstützt das Projekt die Salvia Environmental and Nature Protection Association dabei, eine landwirtschaft­liche Vermehrung für ausgewählte Zielarten einzurichten, damit bei künftigen Renaturierungs­vorhaben ausreichend Saatgut zur Verfügung steht. Darüber hinaus wird eine Datenbank auf­gebaut, in der vorhandenes artenreiches Löß- und Alkaligrünland im Nationalpark erfasst wird. Dies soll die Suche nach geeigneten Spender­flächen für Basissaatgut erleichtern und dafür sorgen, dass diese Flächen in einem guten Erhaltungszustand bleiben.

  • Arbeitspaket 1: Aufbau einer regionalen Vermehrung von gebietseigenen Wildpflanzen

    Arbeitspaket 1: Aufbau einer regionalen Vermehrung von gebietseigenen Wildpflanzen

     

     

    Die landwirtschaftliche Produktion von Wild­pflanzensamen ist ein schwieriges Unterfangen. Pflanzen haben spezifische Anforderungen hinsichtlich Keimung, Wachstum, Samenreife, Ernte, Reinigung und Lagerung. Ungünstige Witterungsverhältnisse, Schädlinge und Krank­heiten bringen Wildsamenproduzenten oft an ihre Grenzen. Während in Deutschland inzwischen Samen von fast 450 Wildpflanzen gehandelt werden, ist in Ungarn kein regional produziertes Wildpflanzensaatgut verfügbar.

    Mit Unterstützung durch einen deutschen Saat­gutproduzenten wurden für eine landwirtschaft­liche Vermehrung geeignete Zielarten für die Renaturierung von Löß- und Alkaligrünland ausgewählt und deren spezifische Ansprüche zusammengestellt. Im Rahmen eines Projekt­workshops in Bernburg im Mai 2014 hatten die ungarischen Partner die Möglichkeit, alle Abläufe bei der landwirtschaftlichen Vermehrung von Wildpflanzen kennen zu lernen und während des Jahrestreffens mit den Mitgliedern des Verbandes deutscher Wildsamen- und Wild­pflanzenproduzenten in Kontakt zu treten und zu diskutieren. 

    Ab September 2013 wurde im Hortobágy Nationalpark Basissaatgut ausgewählter Arten gesammelt und im Frühjahr 2014 in einem Gewächshaus angesät. Mit Unterstützung der Nationalparkverwaltung wurden durch die Salvia Environmental and Nature Protection Association geeignete Flächen für eine Saatgutproduktion ausgewählt. Von September bis Mitte Oktober 2014 wurden auf einer 50 m x 50 m großen Ackerfläche 10 ausgewählte Arten angepflanzt bzw. angesät:

    Achillea collina (30 Individuen + Ansaat)

    Agropyron pectinatum(nur Ansaat)

    Centaurea sadleriana (200 Individ.+ Ansaat)

    Dianthus pontedere (300 Individuen + Ansaat)

    Festuca pseudovina (nur Ansaat)

    Filipendula vulgaris (600 Individuen + Ansaat)

    Hypericum perforatum (50 Individuen + Ansaat)

    Melandrium viscosum (70 Individuen + Ansaat)

    Phlomis tuberosa (210 Individuen + Ansaat)

    Salvia austriaca (290 Individuen + Ansaat)

    Salvia nemorosa (300 Individuen + Ansaat)

    Silene vulgaris (30 Individuen + Ansaat)

    Um die Landwirte im Projektgebiet zu motivieren, sich an der Produktion von regionalem Wild­pflanzensaatgut zu beteiligen, wird eine Informationsbroschüre über die Grundlagen der Saatgutproduktion von Wildpflanzen in englischer und ungarischer Sprache erstellt. Es soll auch das Bewußtsein geschärft werden, dass zum Schutz der regionalen Biodiversität, die Produktion von Wildpflanzensaatgut zwingend in der Region erfolgen muss, in der das Saatgut auch eingesetzt wird. Am Ende des Projektes wird von der Universität Debrecen ein regionaler Workshop organisiert.

  • Arbeitspaket 2: Spenderflächenkataster

    Arbeitspaket 2: Spenderflächenkataster

    Im Modellgebiet des Hortobágy Nationalparks geht die Fläche des artenreichen Löß- und Alkaligrünlandes immer mehr zurück. Die meisten artenreichen Löß-Flächen werden durch die Nationalparkverwaltung gepflegt.

    Um das Artenpotenzial dieser Altbestände für die Renaturierung nutzen zu können, ist die Einrichtung eines Spenderflächenkatasters von großer Bedeutung. Vorhandene und neu erhobene vegetationskundliche und öko­nomische Daten sollen in einer Datenbank möglicher Spenderflächen erfasst werden. Damit wird sichergestellt, dass die Flächen in einem guten Erhaltungszustand bleiben und nach Absprache mit der Nationalparkverwaltung als Spenderflächen für regionale Samen genutzt werden können.

  • Arbeitspaket 3: Renaturierung von artenreichem Grünland

    Arbeitspaket 3: Renaturierung von artenreichem Grünland

    Im Hortobágy Nationalpark wurden im Oktober 2013 auf vier Alkali- und vier Lößstandorten insgesamt 32 Etablierungsfenster angelegt: 16 x 16 m² (8 gezäunt, 8 ungezäunt), 8 x 2 m², 8 x 1 m²; die Abstände zwischen den Standorten betragen mindestens 50 m. Die Flächen wurden nach Grubbern und Saatbettbereitung mit einer Samenmischung aus 35 regional gesammelten krautigen Arten mit 10 g/m² angesät. Die ausge­wählten Zielarten sind charakteristisch für Festucion pseudovinae Soo 1933 und Festucion rupicolae Pop 1968 Gesellschaften. Da die gesamte Fläche mit Lößlehm bedeckt ist und die Unterschiede im Salzgehalt nur im Untergrund vorhanden sind, wurde nur eine Mischung verwendet. Durch die unterschiedliche Salz­toleranz der ausgewählten Arten, wird der sukzessiv wirksame kapillare Aufstieg von salz­haltigem Wasser langfristig zu unterschiedlichen, mosaikartigen Ausprägungen führen.

    Folgende Fragen stehen im Vordergrund:

    (1) wirkt sich eine Störung der Grasnarbe positiv auf die Etablierung von Zielarten aus, 

    (2) ab welcher Flächengröße kommt es zu einer erfolgreichen Etablierung und Ausbereitung der angesäten Zielarten und 

    (3) wie beeinflusst das Managementregime (mit/ohne Beweidung) die Etablierungsrate und die Samenproduktion der angesäten Arten. 

    Um bereits jetzt der Frage nachzugehen, welche Faktoren für eine erfolgreiche Besiedlung nicht eingesäter Kontrollflächen entscheidend sind, wurden auf alten Renaturierungsversuchen in Deutschland und Ungarn vergleichende Unter­suchungen zum Ausbreitungsverhalten einge­brachter Zielarten durchgeführt. Dazu wurden im Sommer 2014 Anzahl und Deckung eingewanderter Zielarten auf 5 m x 5 m großen Dauerflächen ohne Einsaat dokumentiert.

     

  • Erste Ergebnisse

    Erste Ergebnisse

     

     

    Etablierungsfenster

     

    Im 1. Jahr konnten sich auf allen Etablierungs­fenstern im Hortobágy Nationalpark 33 der 35 angesäten Arten etablieren. Getrennt nach Varianten traten folgende Etablierungsraten auf: 1 m² 66 %, 4 m² 86 %, 16 m² (ungezäunt) 89 %, 16 m² (gezäunt) 80 %.

    Im Vergleich zu den 1 m² und 4 m² großen Flächen, erreichten die Ansaatarten auf beiden 16 m² großen Etablierungsfenstern die höchsten Werte bei der mittleren Anzahl und der mittleren Deckung. Dabei lagen die Artenzahlen auf den gezäunten Varianten tendenziell unter denen der ungezäunten Varianten. Bei der Deckung dagegen wurde auf den gezäunten Flächen bei den Ansaatarten die höchsten und bei den Spontanarten die niedrigsten Werte beobachtet.

    Einwanderung von Zielarten

     

    Im Hortobágy Nationalpark wurden vor 9 Jahren potenzielle Alkali- und Lößstandorte mit 2 bzw. 3 regionalen Gräsern angesät. Bis 2014 konnten sich aufgrund geringerer Salzgehalte auf Löß­flächen im Mittel mehr Zielarten etablieren als auf Alkaliflächen. Auf beiden Standorten dominieren nach wie vor die angesäten Gräser.

    In Deutschland wurden 3 Standorte untersucht: (1) Grassaum Strenzfeld, (2) angesäte Böschung (3 Zuchtgräser) Tagebau Profen, (3) über Spontansukzession begrünte Böschung Tagebau Roßbach. Hier zeigt die Anzahl eingewanderter Zielarten einen deutlichen Zusammenhang mit dem Flächenalter und der Grasdeckung.

 

 

Projektleitung: Prof. Dr. habil. Sabine Tischew
Projektbearbeitung: Dr. Anita Kirmer
Gefördert durch: Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Projektpartner: University of Debrecen, Department of Ecology, Biodiversity and Ecosystem Services Research Group, Prof. Dr. Béla Tóthmérész
Kooperationspartner: SAALESAATEN - Begrünungsberatung, Wildpflanzenvermehrung und -handel, Dipl. Ing. agr. Matthias Stolle, Hortobágy National Park Directorate, Salvia Environmental and Nature Protection Association