Optimierung des Grünlandmanagements unter Beachtung des Wiesenbrüterschutzes im Biosphärenreservat Mittelelbe

  • Motivation und Zielstellungen

    Motivation und Zielstellungen

    Auf den Auengrünländern entlang der mittleren Elbe sind in den letzten Jahrzehnten erhebliche Bestandsrückgänge charakteristischer Wiesenbrüterarten zu verzeichnen. Die Bewirtschaftung dieser Grünländer unterscheidet sich oft deutlich hinsichtlich der angewandten Methoden (Mahd und Mähweide), der Nutzungshäufigkeit sowie den Zeitpunkten der Bewirtschaftung. Der Einfluss solcher Unterschiede auf den Erhaltungszustand von Brenndolden-Auenwiesen (LRT 6440) und Mageren Flachland-Mähwiesen (LRT 6510) sowie auf das Vorkommen von Wiesenbrütern in diesen Lebensraumtypen (LRT) ist noch unzureichend bekannt.

    Aufbauend auf einer umfassenden Zustandsanalyse sollen Vorschläge zur Optimierung des Grünlandmanagements unter Beachtung des Wiesenbrüterschutzes entwickelt werden. Im Fokus steht die Erarbeitung und Beschreibung von praktikablen, zielorientierten und umsetzungsfähigen Lösungen für ein teilflächenspezifisches Management, das zum Erhalt und zur Verbesserung der untersuchten LRTs beitragen sowie zur positiven Bestandsentwicklung wertgebender Wiesenbrüter wie Kiebitz, Wiesenpieper, Braunkehlchen, Wiesenschafstelze, Wiesenweihe, Wachtelkönig und Sumpfohreule führen kann.

  • Projektgebiete

    Projektgebiete

    Die im Rahmen dieses Projektes untersuchten Flächen verteilen sich auf insgesamt vier Natura-2000-Gebiete zwischen den Ortschaften Dornburg (Gommern) und Vockerode (siehe Abb. 1):

    • Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg (FFH0050)
    • Elbaue Steckby-Lödderitz (FFH0054)
    • Dessau-Wörlitzer Elbauen (FFH0067)
    • Kühnauer Heide und Elbaue zwischen Aken und Dessau (FFH0125)

     

    Mit Ausnahme des NATURA-2000-Gebiets „Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg (FFH0050)“ sind diese auch Bestandteil des Europäischen Vogelschutzgebietes „Mittlere Elbe einschließlich Steckby-Lödderitzer Forst (SPA0001)".  Alle Flächen befinden sich im Biosphärenreservat Mittelelbe. Vereinzelte Gebietsteile sind als NSG ausgewiesen (NSG0036, NSG0394). Die untersuchten Flächen besitzen eine Gesamtgröße von etwa 700 ha.

  • Arbeitspaket 1

    Arbeitspaket 1

    AP 1: Zustandsanalyse der Artenausstattung (Avifauna) und Lebensräume (FFH-LRT 6510, 6440). Durchführung umfassender Untersuchungen zu den Zusammenhängen zwischen Vegetationsstruktur, Nutzungstypen und Vorkommen von Wiesenbrütern

    Auf 46 Makroplots finden Vegetationserfassungen jeweils vor dem 1. und 2. Schnitt statt. Weiterhin erfolgte auf den 46 ausgewählten Untersuchungsflächen zwischen Anfang April und Anfang Juli 2021 eine Brutvogelkartierung in sieben Tagbegehungen als Revierkartierung nach SÜDBECK et al. 2005. Aufgenommen wurden alle Vogelarten des Offen- und Halboffenlandes (v.a. Grünlands) sowie Arten, die nach der Roten Liste des Landes Sachsen-Anhalt oder Deutschlands als selten oder (potenziell) gefährdet eingestuft sind. Ein Schwerpunkt wurde auf die Dokumentation bodenbrütender Arten gelegt.

    Zusätzlich wurden zur Erfassung möglicher Wachtelkönigvorkommen Nachtbegehungen, bei denen der Fokus auf rufenden Wachtelkönig-Männchen lag, im Mai und Juni 2021 zwischen Abend- und Morgendämmerung als Punkt-Stopp-Erfassung unter Einsatz von Klangattrappen durchgeführt (vgl. Schulze 2015). Aufbauend auf ersten Ergebnissen der Revierkartierung 2021 wurden von Anfang Mai bis Ende Juli 13 Reviere der Feldlerche (Alauda arvensis) und ab Anfang Juni zusätzlich acht Reviere des Braunkehlchens (Saxicola rubetra) hinsichtlich ihres Bruterfolgs untersucht und eine Raumnutzungsanalyse erstellt. Ende Mai und Ende Juli 2021 erfolgte eine Erfassung relevanter Vegetationsstrukturen zur Habitatcharakterisierung ausgewählter Vogelarten. Zudem wurden in der gesamten Projektkulisse die für Vogelarten des Offen- und Halboffenlandes relevanten Landschaftsstrukturen und –requisiten erfasst.

    In Ergänzung zu den Vegetationsstrukturerfassungen am Boden wurde auf ausgewählten Auenwiesen bei Waldersee eine Ableitung der Vegetationshöhe aus Fernerkundungsdaten erprobt. Dies soll einen Vergleich klassischer Bodenkartierungen mit einem aus Drohnenaufnahmen erzeugten digitalen Oberflächenmodell ermöglichen und darüber hinaus Aufschluss über die Praxisrelevanz dieser Methode geben. Nutzungszeitpunkte und Bewirtschaftungsweisen werden dokumentiert um den Einfluss unterschiedlicher Wirtschaftsweisen auf die Vegetation und Brutvögel analysieren zu können. Zur Standortcharakterisierung und weiterführenden Interpretation der Daten zur Vegetation wurden im Herbst 2021 Bodenproben auf allen Untersuchungsflächen genommen.

     

     

  • Arbeitspaket 2

    Arbeitspaket 2

    AP 2: Vorschläge zur Optimierung des Grünlandmanagements unter Beachtung des Wiesenbrüterschutzes auf Grundlage der in AP 1 durchgeführten Zustandsanalyse

    In Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden, dem Biosphärenreservat Mittelelbe und dem WWF sollen Vorschläge für ein teilflächenspezifisches Management von FFH-LRTs, zum Erhalt und zur Verbesserung des Erhaltungszustandes sowie zum Schutz und zur Förderung der Wiesenbrüter abgeleitet werden.

  • Erste Ergebnisse

    Erste Ergebnisse

    Vegetation

    Insgesamt konnten während der zwei Erfassungen in 2020 auf den 46 untersuchten Makroplots 244 Gefäßpflanzenarten nachgewiesen werden. Dabei zeichneten sich die Flächen in allen vier Untersuchungsgebieten durch einen recht ähnlichen Grundstock von vierzehn hochsteten Arten, wie z.B. Vogel-Wicke (Vicia cracca), Wiesen-Labkraut (Galium album) und Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis), aus (Stetigkeit > 90 %).  Der Median der Gesamtartenzahl auf den 46 Makroplots lag bei 60 Arten. Zwischen den Gebieten unterschied sich die Artenzahl nur geringfügig, wobei Dornburg mit einem Median von 53 das artenärmste und die Aue bei Waldersee mit einem Median von 68 Arten das artenreichste Untersuchungsgebiet war. In letztgenanntem Gebiet lag mit insgesamt 114 Arten auch der artenreichste Makroplot aller Gebiete.

    LRT-Zustand und Artenzahlen in Beziehung zur Nutzung

    Auf den untersuchten Makroplots ist nach dem ersten Untersuchungsjahr kein deutlicher Zusammenhang zwischen der Art der Flächennutzung (Mahd (M), Mähweide mit Rindern (MWR)/Schafen (MWS)) und dem EHZ der LRT 6510 und 6440 zu erkennen (Abb. 2 ). Für die Mehrzahl der Makroplots wurde der EHZ des jeweiligen LRT als „gut“ (B) eingestuft. Als „hervorragend“ (A) bewertete Makroplots waren entweder ausschließlich gemäht oder als Rindermähweide genutzt (n = 8). Lediglich einer der 46 Makroplots besaß aufgrund seines verarmten Arteninventars keinen LRT-Status.

    Bei Betrachtung des Teilkriteriums Arteninventar (Abb. 2) wird deutlich, dass die Mehrzahl der Rindermähweiden (78 %; n = 27) sowie reinen Mahdflächen (67 %, n = 9) ein hervorragend ausgeprägtes Arteninventar (A) besitzt. Hingegen sind lediglich 22 % der Schaf-Mähweiden (n = 9) als A bewertet worden. Dieses Ergebnis muss jedoch nicht zwangsläufig auf einen negativen Einfluss einer Schafbeweidung hindeuten – vielmehr können hier Unterschiede zwischen den Untersuchungsgebieten zum Tragen kommen: Der Großteil der Schafmähweiden befindet sich in der Dornburger Aue, welche sich bspw. aufgrund ihrer Bodenverhältnisse von den anderen Gebieten unterscheiden könnte. Nähere Aufschlüsse zur Klärung dieser Frage wird hier die Auswertung der Bodenanalysen liefern.

    Eine Vielzahl von Strukturparametern, welche direkt oder indirekt mit der Flächennutzung in Verbindung stehen, beeinflusst die Vegetation des Grünlands. Eine höhere Gräserdeckung, wie sie bspw. das Resultat intensiverer Wirtschaftsweise (Düngung, höhere Schnittfrequenz) ist, wirkte sich auch auf den untersuchten Makroplots, vor allem beim LRT 6510, negativ auf die Zahl charakteristischer Arten des jeweiligen LRT aus (Abb. 3a/b).

    Beim Offenbodenanteil zeigte sich ein leicht positiver Einfluss auf die Gesamtartenzahl sowie die Zahl charakteristischer Arten, da Störstellen, wie sie bspw. durch Huftritt entstehen, als Etablierungsnischen (Keimstellen) für verschiedene Kräuter dienen können (Abb. 4). Im Allgemeinen sind die Einflüsse der oben genannten als auch der sonstigen Strukturparameter (z. B. Streuschichthöhe, horizontale Durchsicht) auf die Artenzahlen bisher jedoch eher schwach ausgeprägt bzw. es konnte kein Zusammenhang festgestellt werden.

    Brutvogelkartierung

    Insgesamt konnten im Untersuchungsjahr 2021 68 relevante Vogelarten im Untersuchungsgebiet erfasst werden. An charakteristischen kleinen Wiesenbrütern wurden auf den Untersuchungsflächen (ausschließlich Wirtschaftsgrünland ohne Randstrukturen) insb. Feldlerche (Alauda arvensis), Grauammer (Emberiza calandra), Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola), Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und Wiesen-Schafstelze (Motacilla flava flava), als Brutvögel nachgewiesen. Goldammer (Emberiza citrinella) und Neuntöter (Lanius collurio) kamen ebenfalls mit höherer Stetigkeit auf den Flächen vor. Häufigste Nahrungsgäste waren Star (Sturnus vulgaris) und Rauchschwalbe (Hirundo rustica). Große Wiesenbrüter wurden mit Ausnahme einiger wenigen Beobachtungen von Kiebitzen (Vanellus vanellus) und einer Bekassine (Gallinago gallinago) nicht erfasst. Während auf den Untersuchungsflächen in der Dornburger Aue, der Großkühnauer Aue und der Aue bei Waldersee eine ähnlich hohe Anzahl an Vogelarten nachgewiesen wurde, war die Artanzahl auf den Flächen der Steutzer Aue nur etwa halb so hoch (Abb. 5)

    Detektion von Brutnachweisen und ggf. Niststandorten

    Bei ca. 50 % der beobachteten Braunkehlchen- und Feldlerchen-Reviere konnte durch die Verhaltens- und Raumnutzungsanalyse ein Brutnachweis erbracht werden (vgl. Abb. 6). Bei mindestens 60 % der Braunkehlchen und mindestens 30 % der Feldlerchen war diese Brut nachweislich erfolgreich. Bei den verbliebenen Revieren konnte sich die vermutete Revierbildung nicht bestätigen (unverpaarte Männchen), das Revier wurde verlassen oder das Paar hat keine Anzeichen für eine Brut innerhalb des Beobachtungszeitraums gezeigt

    Vogelrelevante Landschaftsstrukturparameter

    Die Anzahl der erfassten Strukturtypen fiel in den Teilgebieten sehr unterschiedlich aus. In Waldersee konnten 2021 insgesamt 33 Strukturtypen erfasst werden, während in Dornburg und Großkühnau mit 30 bzw. 27 Strukturtypen niedrigere Werte zu verzeichnen waren. Die geringste Strukturvielfalt wurde, mit nur 14 Strukturtypen, im Teilgebiet Steutz festgestellt. Für die mittlere Strukturvielfalt innerhalb der Teilgebiete zeigen sich ähnliche Ergebnisse (Abb. 7). Der überwiegende Strukturtyp war in allen Gebieten das Grünland mit einem Anteil, der zwischen rund 82 % in Waldersee und 99 % in Steutz varrierte (Abb. 8). Die Anteile der übrigen Strukturtypen sind im Vergleich zum Grünland sehr divers. Außerhalb des Wirtschaftsgrünlands, im 50 m-Pufferbereich des Untersuchungsgebietes dominieren im Teilgebiet Dornburg bspw. Waldflächen, Gräben mit überjähriger Vegetation, Ackerflächen und befestigte Wege. In Großkühnau gibt es einen vergleichsweise hohen Anteil (0,9 %) an feuchten Senken. Diese heben sich durch die dort vorherrschende Vegetation (Nässezeiger wie Seggen und Binsen) vom übrigen Grünland ab. In Steutz kommen aufgrund des sehr hohen Grünlandanteils alle anderen Strukturtypen nur geringfügig vor. In Waldersee sind neben dem Grünland Gehölze der domnierende Strukturtyp. Sie werden durch hohe, flächige Gehölze mit und ohne Unterholz sowie junge Sukzessionsstadien charakterisiert. 

    Effekte unterschiedlicher Landschaftsstrukturen auf charakteristische Wiesenbrüter

    Erste Ergebnisse zur Nutzungsanalyse bzw. zum Einfluss der Landschaftsstrukturen auf charakteristische Wiesenbrüter zeigen, dass Feldlerchen zu 91,6 % auf Grünland kartiert wurden. Jeweils 2 % der Feldlerchen befanden sich in Mulden im Grünland, Senken im Grünland oder in feuchten Senken. Alle anderen genutzten Strukturtypen machten jeweils unter 1 % der Anteile aus.

    Der am häufigsten durch die Grauammer genutzte Strukturtyp (41,1 %) ist wie bei den Feldlerchen das Grünland. Weiterhin konnten Grauammern vermehrt auf Einzelgehölzen (13,8 %), hohen Einzelgehölzen mit Unterwuchs (11,4 %) und in feuchten Senken (7,1 %) beobachtet werden. Dabei nahm mit einem hohen Anteil der genannten Strukturen auf den Untersuchungsflächen auch die Grauammerdichte zu